(Foto: Andre Hirtz)
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Oberhausen/Dinslaken. Vor genau 56 Jahren (6. Juli 1967) konnte sich eine Gruppe engagierter Oberhausener Bürgerinnen und Bürger wohl nicht ausmalen, was im Verlauf der nächsten Jahrzehnte auf dem Friedensdorf-Gelände entstehen würde. Aus dem guten Willen, verletzten und kranken Kindern aus dem Nahen Osten und Israel zu helfen, wurde rasch ein kleiner Kosmos, in dem Kinder aus aller Welt in einer Gemeinschaft zusammenleben und zusammen gesund werden. Die Jungen und Mädchen kommen aus Afghanistan, Angola, aus dem Irak oder aus Tadschikistan. Sie sind nicht mit derselben Muttersprache aufgewachsen – und doch hat sich eine Art der Kommunikation und des Miteinanders entwickelt, die Hoffnung für die Zukunft macht.

Gegenseitiges Aufeinander achten ist Herzstück des Zusammenlebens

Der Kleinkinderbereich auf dem Gelände des Oberhausener „Dorfes“ ist das einzige Gebäude, das seit dem Gründungsjahr des Vereins 1967 noch an heutiger Stelle steht. Die Kinder, die hier untergebracht sind, sind etwa zwischen drei und sechs Jahren alt. Tritt man durch einen der Zugänge, hallen Kinderstimmen und lautes Lachen durch die Räume und Flure. Es dauert nicht lange und schon wird man herzlich begrüßt. Für gewöhnlich wird auch die ein oder andere neugierige Frage gestellt. Schnell ist man von der Energie der kleinen Kindergruppe umhüllt. Nimmt man sich einen Moment Zeit und kann beobachten, wie die Kinder miteinander agieren, wird schnell deutlich, dass hier eine ganz besondere Dynamik herrscht: Die Kinder helfen einander, unterstützen sich gegenseitig ohne Wenn und Aber. Zu diesem Gemeinschaftsgefühl gehört auch, darauf zu achten, dass jedes Kind gleich behandelt wird. Erst vor kurzem zeigte sich dies bei dem Besuch der mehrfach ausgezeichneten Zauberkünstlerin Rika Magie, die auch am 9. September beim Dorffest für magische Momente sorgen wird. Als die Magierin bei ihrem Besuch im Kleinkinderbereich jedem Kind ein Bonbon in die Hand zaubert, wird sie von den Kleinen sofort darauf hingewiesen, dass ein Kind versehentlich nicht bedacht wurde. Faires Teilen wird hier mehr als großgeschrieben. Und wenn der Joghurt des Nachbarn oder der Nachbarin einmal anders aussieht als der aller anderen Kinder, wird auch dies sofort bemerkt. Aber nicht aufgrund von Neid, sondern weil der Fairness-Gedanke so fest im täglichen Miteinander verwurzelt ist.

Natürlich gibt es auch unter den Kindern im Friedensdorf einmal Streitigkeiten. Doch diese werden schnell gemeinsam gelöst und ändern nichts an dem Grundprinzip von Respekt und Fairness, denn es ist den Kindern gleich, ob ihr Sitznachbar oder ihre Sitznachbarin ein verbranntes Gesicht hat, nur auf einem Bein laufen kann, einer anderen Religion angehört oder eben eine andere Sprache spricht.

Hoffnung für die Zukunft

Im Kleinkinderbereich ist über die Jahre etwas gewachsen, was sich die Gründerinnen und Gründer wohl nicht hätten erträumen können. Hier geht es um mehr als um eine medizinische Behandlung. Hier zeigt sich im Kleinen, was im Großen möglich sein könnte: Würden alle Menschen auf der Welt so aufeinander achten und sich gegenseitigen Respekt zollen, wie die Friedensdorf-Kinder es tun, wäre die Welt mit Sicherheit dem Frieden einen Schritt näher. Für die Mitarbeitenden im Friedensdorf ist die Dynamik im Kleinkinderbereich, die sich übrigens auch in den Bereichen der „großen“ Mädchen und Jungen finden lässt, jedoch kein Grund, verdrossen auf die Welt zu schauen. Sie freuen sich, dass sie das unbedingte Gemeinschaftsgefühl immerhin im Kleinen erleben können. Und sie können selbst davon lernen.

Der morgige Tag, an dem das Friedensdorf an sein 56-jähriges Bestehen erinnert, ist für das Friedensdorf auch ein schöner Tag. Zwar haben sich die Hoffnungen der Gründerinnen und Gründer, dass das Friedensdorf eines Tages überflüssig werden soll, (noch) nicht erfüllt. Dies ist zu bedauern. Doch ändert man den Blickwinkel und überlegt, wie viele Kinder in den 56 Jahren des Bestehens den Gedanken des Miteinanders, des Respekts und der Fairness bereits in die Welt getragen haben, so gibt dies doch Anlass zur Hoffnung für eine friedlichere Zukunft.

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