Der Lebensunterhalt wird mühselig erarbeitet: Eine Familie in Jaihun öffnet Mandeln, um den Verzehr für Käuferinnen und Käufer zu erleichtern (Foto: FRIEDENSDORF INTERNATIONAL)
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Oberhausen/Dinslaken. Manisha kann ihre Tränen kaum zurückhalten. Vor ihr stehen je zwei Tüten und zwei Säcke an Lebensmitteln, darunter Mehl, Reis, Nudeln, Zucker und Tee. Auch eine große Flasche Öl trägt sie in ihr bescheidenes Heim. Ein Heim, welches aus einem einzigen Raum besteht, in dem sie mit ihren zwei Kindern und ihren Eltern lebt. Die 21-Jährige kann das Haus kaum verlassen. Ihre fünfjährige Tochter und ihr sechsjähriger Sohn kamen mit körperlichen und geistigen Behinderungen zur Welt. Manisha muss sie rund um die Uhr im Blick haben. Ebenso ihre bettlägerige Mutter. Darum kamen das Friedensdorf, vertreten durch Mitarbeiterin Claudia Peppmüller, und seine Partnerorganisation „Dechkadai Sulh Derewnja Mira“ zu Manisha in die südtadschikische Provinzhauptstadt Kurgan-Tjube, um ihr die Lebensmittel zu überbringen. Manisha und ihre Kinder gehören zu denjenigen, die von der Lebensmittelverteilung profitieren, die das Friedensdorf finanziert und gemeinsam mit seinem tadschikischen Projektpartner organisiert hat. Claudia Peppmüller hat den ersten Tagen der Verteilung von insgesamt über 1.100 Lebensmittelpaketen in verschiedenen Provinzen Tadschikistans beigewohnt.

Zweite Lebensmittelverteilung für Kinder und alleinerziehende Mütter

Im vergangenen Jahr hatte das Friedensdorf erstmals eine Lebensmittelverteilung für alleinerziehende Mütter mit einem oder mehreren Kind(ern) mit Behinderung in Tadschikistan finanziert, als eine Alternative zur bekannten Bürger-Paketaktion. Statt Lebensmittel in Deutschland einzukaufen und per Charter zu verschicken, wurden Mehl, Reis, Nudeln, Zucker, Öl, Tee und auch Seife zusammen mit den Partnern vor Ort eingekauft und anschließend verteilt. So auch in diesem September. Immens gestiegene Logistikkosten lassen die Paketaktion in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr zu. „Wir sind froh, dass uns das Friedensdorf auch in diesem Jahr die Möglichkeit gegeben hat, den Einkauf von Grundnahrungsmitteln regional durchzuführen“, so Projektpartner Safar Yorov. „Die Familien hier sind weiterhin stark auf diese Unterstützung angewiesen, um über den Winter zu kommen. Die neue Form der Winterhilfe stärkt die Wirtschaft des Landes und sichert Arbeitsplätze.“ Wie bitter nötig die Hilfe ist, erfährt Claudia Peppmüller vor Ort: „Innerhalb der letzten Wochen haben sich die Preise für Mehl, Zucker und Reis noch einmal deutlich erhöht. Mehl beispielsweise ist innerhalb von vier Wochen um ein Viertel teurer geworden. Die rasanten Preissteigerungen sind unter anderem mit Lieferengpässen aus Kasachstan und Russland zu erklären. Hier gehen alle davon aus, dass die Preise für Grundnahrungsmittel noch weiter steigen werden – für viele eine Katastrophe. Vor allem, da die starke Sommerhitze mit weit über 50 Grad viele eigene Ernten kaputt gemacht hat.“

Harte Lebensbedingungen – Lebensmittelhilfe sichert Existenzen

Manisha und ihre Kinder werden durch die steigenden Lebensmittelkosten zusätzlich in ihrer Existenz bedroht. Manishas Ehemann hatte einen Großteil des gemeinsamen Grundstückes verkauft, bevor er sie und die beiden schwerstbehinderten Kinder verlassen hat. Somit hat Manisha keine Möglichkeit, zur Selbstversorgung Gemüse oder Obst anzubauen. Sie ist so im alltäglichen Leben ohnehin auf die Nächstenliebe anderer angewiesen.

Auch hundert Kilometer östlich von Kurgan-Tjube, in Kulob, sind viele weitere Kinder und Familien auf Nächstenliebe angewiesen. Qalamniso Abduqaumova kennt sie gut. Sie arbeitet für die Organisation „Sarschedabonu“ (dt. Sonnenaufgang), die Teil des großen und starken Netzwerkes der Friedensdorf-Partnerorganisation ist und Kinder mit körperlicher und geistiger Behinderung kostenlos physisch und kognitiv fördert. Zudem wird den alleinerziehenden Müttern im Projekt sowie ehemaligen Schützlingen eine handwerkliche Ausbildung ermöglicht. So erhalten sie die Chance, für sich und ihre Familien zu sorgen. Qalamniso Abduqaumova weiß genau, wo die vom Friedensdorf finanzierten Lebensmittel in Kulob am dringendsten gebraucht werden. Und so gingen 200 Lebensmittelpakete an aktuell im Projekt betreute Kinder und ihre Mütter. Auch ehemalige Teilnehmerinnen des Projektes profitierten von den Lebensmitteln. So wie die heute 15-jährige Oisha. Sie kam geh- sowie geistig behindert auf die Welt. Seit 12 Jahren wird sie vom Kulober Projektteam wortwörtlich auf die Beine gestellt und logopädisch gefördert. Mit Erfolg: Seit zwei Jahren kann Oisha laufen. Ihre Freude über die Lebensmittel war grenzenlos. Eine Emotion, die Safar Yorov bei der Verteilung immer wieder gespürt hat: „Für viele sind gerade die Grundnahrungsmittel überlebenswichtig. Durch die Unterstützung werden ihnen für mehrere Wochen, wenn nicht sogar Monate, die Sorgen genommen.“ Auch für eine alleinerziehende Mutter in Jaihun ist die Hilfe eine enorme Entlastung. Sie bestreitet ihren Lebensunterhalt, indem sie Mandeln vor dem Verkauf ein Stück weit öffnet, damit Käufer das Obst leichter verzehren können. Muss sie andere Aufgaben im Haushalt erledigen, z.B. kochen, dann übernehmen ihre Kinder diese Sisyphusarbeit. Pro Kilo Mandeln verdienen sie drei Cent. Um genug Geld für ein Lebensmittelpaket zu verdienen, wie es das Friedensdorf und sein Partner verteilt haben, müssten sie über 2.600 Kilogramm Mandeln verkaufen.

In Jaihun, Dschilikul, Qubodijon, Duschanbe und Turson-Soda war die Dankbarkeit und Freude über die Winterhilfe ebenso riesig. „Alle haben sich sehr gefreut, dass wir sie in diesen schweren Zeiten nicht vergessen“, zeigt sich Claudia Peppmüller sichtlich gerührt. „Es war wichtig, dass die Lebensmittel jetzt im September verteilt wurden. Die Familien benötigen z.B. den Zucker, um Obst für den Winter haltbar zu machen. Alle Vorräte werden in diesen Wochen hergestellt – Obst getrocknet oder Gemüse eingeweckt – um die harte Winterzeit zu überstehen.“ Besonders für Kinder und ihre Familien im schwer zugänglichen Sughd, das auf über 3.500 Metern nah der usbekischen Grenze liegt, ist das Wappnen für den Winter extrem wichtig. Hier hatte Friedensdorf-Partner Safar Yorov zuletzt Lebensmittel verteilt. Und es soll noch weitergehen: „Ich hoffe sehr, dass wir bald auch im Pamirgebirge mit Lebensmitteln helfen können, bevor es die Wetterverhältnisse noch mehr erschweren, in die Region zu reisen. Schon jetzt herrschen dort Minusgrade. Für die Kinder und ihre Familien sind die Grundnahrungsmittel überlebenswichtig“, betont Safar Yorov.

Die zweite Lebensmittelverteilung hat insgesamt eines gezeigt: Für das Friedensdorf ist es unerlässlich, die dringend benötigte Lebensmittelhilfe in Tadschikistan fortzuführen. „Wir danken allen Spenderinnen und Spendern, die unsere Lebensmittelaktion in Tadschikistan unterstützt haben“, sagt Leiterin Birgit Stifter. „Die diesjährige Verteilung hat uns erneut gezeigt, dass wir gemeinsam mit unserem Projektpartner den richtigen Weg gehen, um die hilfsbedürftigen Kinder und ihre Familien vor Ort zu unterstützen. Wir wollen unsere Hilfe fortführen. Dafür sind wir dringend auf Spenden angewiesen.“

 

Jede Spende hilft, die Lebensbedingungen für tadschikische Familien zu verbessern.

Spendenkonto:

Stadtsparkasse Oberhausen
IBAN: DE59 3655 0000 0000 1024 00
SWIFT-BIC: WELADED1OBH

Stichwort: Tadschikistan

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