(Foto: Bartosz Galus)
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Duisburg. Podiumsgäste waren Bürgermeister Sebastian Ritter, Polizeipräsident Alexander Dierselhues und Elisabeth Schuhmacher

Harte Fragen und klare Ansagen gab es auf dem Jahresempfang der Katholischen Stadtkirche in der Jugendkirche St. Josef am Dellplatz zum Thema: „Wo geht Kirche hin? Was erwarten die Menschen von uns?“

Gleich drei Podiumsgäste nahmen kein Blatt vor den Mund und gaben Auskunft darüber, wo sie als katholische Christen in ihrer Kirche Erwartungen hegen, die nicht oder noch nicht erfüllt werden. Der Katholikenratsvorsitzende Daniel Wörmann fragte als Moderator zum Einstieg den Stadtdechanten Andreas Brocke: „Laut Prognose der Universität Freiburg wird der Anteil der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung in 2060 auf 29 Prozent der Bevölkerung sinken. Die Verantwortung dafür trägt, dafür sind sich auch viele Studien einig, die Kirche selber. Wenn du das hörst, musst du hier nicht schonungslos ehrlich mitteilen, dass das System Kirche dabei ist, sich selber abzuschaffen?“ „Wollen wir das verhindern, dann muss Kirche sich ehrlich machen“, erwiderte der Stadtdechant. Er verglich die Kirche mit dem ADAC, der seine Mitglieder mit dem Versprechen hält, dass für sie ein Netzwerk gespannt ist, wenn sie Hilfe und Unterstützung benötigen auf das man sich verlassen kann. Und genau dieses Gefühl der Sicherheit und Zweckdienlichkeit hätten viele Menschen in Bezug auf Kirche verloren.

„Die kirchlichen Strukturen kann man nicht ändern“, zeigte sich Elisabeth Schumacher überzeugt, die inzwischen aus der Kirche, für die sie sich lange engagiert hatte, ausgetreten ist. „Man muss sie aufbrechen. Es muss eine Welle des Ärgernisses und des Aufbegehrens geben, damit sich endlich was ändert“ ist ihre Ansicht.

„Ich wollte nicht mehr Teil eines System sein, wo der Mensch gar nicht
mehr wahrgenommen wird. Kirche ist nicht mehr glaubwürdig. Menschen erleben nicht mehr, dass die Kirche für sie da ist. Wo bleiben die Ehrlichkeit und Mitmenschlichkeit, wenn Kirche es nötig hat, Dinge zu verstecken?“ Sie erinnerte an die geheimen Kirchenarchive im Vatikan.

Ob die kirchlichen Strukturen so entscheidend für die Wahrnehmung von Kirche vor Ort seien, das bezweifelte der Duisburger Polizeipräsident Alexander Dierselhues. Die Strukturen seien nicht maßgeblich, um andere zu entzünden. Das gehe nur durch konkrete Angebote, die die Menschen auch erreichten. Der Wunsch nach Halt und Orientierung sei riesengroß, „Menschen suchen nach Beistand und Antworten auch in Fragen des Glaubens in diesen aktuell ja sehr schwierigen Zeiten“, sagte Dierselhues. Das Bedürfnis sei da. „Wenn die Menschen keine Antworten bekommen, bedienen dieses Bedürfnis im Zweifelsfall Radikale.“

Die Kirche sei „ein System von Macht“, sagte Bürgermeister Sebastian Ritter. Es gebe Bischöfe wie Kardinal Wölki, die mit allen Mitteln an Strukturen festhalten, die ihnen diese Macht sichert. Er war davon überzeugt: „Wir müssen in unserer Kirche Strukturen schaffen, in der Macht kontrolliert wird. Und wir müssen dafür sorgen, dass Frauen in unserer Kirchen nicht mehr Christen zweiter Klasse sind.“ Was dem überzeugten Pfadfinder Ritter besonders wichtig war: „Kirche kann für Menschen ganz wichtige identitätsstiftende Momente schaffen. Wäre ich nicht so lange bei den Pfadfindern gewesen, wäre ich heute nicht mehr in der Kirche und vielleicht auch kein Christ mehr.“


Podiumsgäste hatten alle einen katholischen Hintergrund
Alle drei Gäste bei der Podiumsdiskussion im Rahmen des diesjährigen Jahresempfangs der katholischen Stadtkirche Duisburg haben einen katholischen Hintergrund: Sebastian Ritter ist nicht nur überzeugter Pfadfinder, er war in der Vergangenheit auch Stadtvorsitzender beim BDKJ Bund der Deutschen Katholischen Jugend. Polizeipräsident Alexander Dierselhuis ist ebenfalls Mitglied der katholischen Kirche und Elisabeth Schmuhmacher sagt von sich selbst, sie sei klasssich katholisch sozialisiert, war Jahrzehnte lang an verschiedenen Stellen in ihrer Kirche aktiv – und ist 2022 aus der Kirche ausgetreten.
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