Peter Vermeulen (Foto: THEO MUELLERS)
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Krefeld. Umweltdezernentin Sabine Lauxen: “Freue mich über den guten und sachlichen Austausch.” – Vermeulen: „Es klingt schon nach Hohn, wenn der OB nun erklärt, er könne sich in die Sorgen der Menschen hineinversetzen.”

Über die aktuellen Auswirkungen des Grundwasserstandes im Krefelder Norden hat die Stadtverwaltung gemeinsam mit dem Kommunalbetrieb Krefeld (KBK) sowie externen Experten in einer Videokonferenz informiert. Dabei ging es neben der Entwicklung der Grundwasserstände, dem Betrieb der Pumpenanlage zu den Niepkuhlen und mittelfristigen Plänen für eine Regulierung von Grundwasserhöchstständen auch um mögliche Baumaßnahmen, mit denen die Eigentümer ihre Immobilien schützen können. Rund 125 Bürger nahmen an diesem Digitalformat teil. Moderiert wurde die Informationsveranstaltung von Ralph-Harry Klaer, Vorsteher der Bezirksvertretung Nord. Unterstützt wurde er bei der Aufnahme von Fragen von seinem Amtsvorgänger Benjamin Zander.

Umweltdezernentin Sabine Lauxen, KBK-Vorstand Andreas Horster, sowie die beiden Gutachter, der Hydrogeologe Dr. Reinhold Strotmann und der Andreas Borrmann, Sachverständiger für Schäden an Gebäuden, standen im Anschluss auch für Rückfragen der Bürger zur Verfügung. „Ich freue mich über den guten und sachlichen Austausch in dieser Videokonferenz und darüber, dass dieses Gesprächsangebot so gut angenommen wurde. Bei so komplizierten Fragen wie Gebäudesanierung oder Grundwasserstandsentwicklung ist es gut, wenn man die Stimme der Wissenschaft und die Expertensicht zurate zieht. Ich bin den Referenten des Abends deshalb sehr dankbar, dass sie alles so transparent und nachvollziehbar erklärt haben”, sagt Sabine Lauxen. „Mein Dank gilt auch Ralph-Harry Klaer für die gute Moderation des Formates.”

Rheinhochwasser drückt Grundwasser zurück und sorgte für Rückstau

Der Hydrogeologe Dr. Reinhold Strotmann stellte in seinem Vortrag zunächst dar, dass im hydrologischen Jahr 2023 rund 16 Prozent mehr Niederschlag gefallen ist als im langjährigen Durchschnitt. Vom 1. November 2023 bis zum 8. Januar 2024 fielen insgesamt 302 mm Niederschlag pro Quadratmeter. Das entspricht einer Niederschlagsmenge von circa 40 Prozent des mittleren Jahresniederschlags. In den vergangenen Wochen kam der zeitgleich stark steigende Rheinpegel hinzu. Das Rheinwasser drang in das Umland ein, ufernah stieg der Grundwasserstand an. „Der Grundwasseranstieg breitete sich dann in einer dem Flusswasserstand nachlaufenden, langsamen wellenförmigen Bewegung quer zur Flussachse in Richtung Hinterland aus, so dass die normalerweise auf den Vorfluter Rhein hin gerichtete Fließrichtung umgekehrt wurde. Sinkt der Wasserstand im Fluss wieder, kehrt sich die Fließrichtung langsam um, bis sich schließlich der Normalzustand einstellt”, schilderte Reinhold Strotmann. Er skizzierte, dass die höheren Grundwasserstände im Bereich des Rheins zu einem Rückstau des landseitig anströmenden Grundwassers führen, da dieses Grundwasser nicht abfließen kann. Das nachströmende Grundwasser bewirke dann auch eine Grundwassererhöhung im „Hinterland”.

Diese Randbedingungen würden die Auswirkung erhöhter Grundwasserneubildung auf die Grundwasserstände verstärken oder überlagern und haben neben den hohen Niederschlagssummen auch zu den seit über 60 Jahren höchsten gemessenen Grundwasserständen im Dykgebiet geführt, so Strotmann. Die intensiven und langanhaltenden Niederschläge hätten in den Niepkuhlen und im Grabensystem des Kliedbruchs die Wasserstände zudem sehr hoch ansteigen lassen. Die Grabensysteme seien an der Kapazitätsgrenze gewesen, die Böden waren gesättigt und es bildeten sich im Bereich der landwirtschaftlichen Flächen häufig Wasserblänken aus.

Tendenz in Krefeld wie im gesamten Bundesland

Reinhold Strotmann verwies auch auf aktuelle Mitteilungen des Landesumweltamtes NRW (LANUV). Demnach sei der Grundwasserstand im Land NRW großflächig gestiegen. „In 58 Prozent aller Grundwassermessstellen wurden im Dezember 2023 hohe, sehr hohe oder sogar ihre höchsten jemals gemessenen Stände ermittelt. Im Vormonat gab es so hohe Werte nur an 40 Prozent der Messstellen”, berichtet das Land NRW. Der Anteil der Messstellen mit mittleren, niedrigen und sehr niedrigen Grundwasserständen habe entsprechend abgenommen. Insgesamt seien im Vergleich zum Dezember 2022 in 93 Prozent der Grundwassermessstellen höhere Stände gemessen worden. Generell, darauf verwies Reinhold Strotmann, sind die Grundwasserstände landesweit auf einer Website des Landes NRW im System Elwas auf der Internetseite https://www.elwasweb.nrw.de hinterlegt.

Um die aktuelle Grundwasserspitze zumindest für einen Teilbereich im Dykgebiet reduzieren zu können, hatte die Verwaltung in der vergangenen Woche entschieden, dass die Pumpenanlage wieder in Betrieb genommen wird und die Niepkuhlen mit Wasser befüllt werden. Dies ist allerdings nur so lange möglich, bis der maximale Ausgangspegel der Niepkuhlen erreicht ist. Sabine Lauxen machte deutlich, dass nicht alle Anlieger in gleichem Umfang davon profitieren können, da die Pumpenanlage nur in einem bestimmten räumlich begrenzten Gebiet Wirkung erzielt.

KBK-Vorstand stellt Auswirkung auf Kanäle und Perspektiven dar

KBK-Vorstand Andreas Horster stellte anschließend dar, welche Auswirkungen auf das Kanalsystem zu verzeichnen sind und dass Krefeld ein Trennsystem von Schmutzwasserkanal und Niederschlagswasserkanal habe. Der Abfluss des Regenwassers sei jederzeit sichergestellt gewesen, machte Andreas Horster deutlich. Systembedingt gebe es bei den Kanälen allerdings Undichtigkeiten, die zu einer Drainagefunktion führen können. Grundwasser fließt dann durch undichte Regenwasserkanäle ab und entlastet in der aktuellen Situation die Grundwasserstände. Langfristig müsse bei der Abdichtung des Kanalnetzes die Grundwassersituation mit betrachtet werden. Der KBK erarbeite darüber hinaus ein Bündel von technischen Maßnahmen, um in die Lage versetzt zu werden, Grundwasserspitzen zu regulieren. „Die eine Lösung wird es nicht geben”, sagte Andreas Horster.

Abschließend präsentierte Andreas Borrmann, Sachverständiger für Schäden an Gebäuden, Optionen für Eigentümer, wie sie ihre Immobilie gegen steigende Grundwasserpegel schützen können. Häuser, die mit einer weißen Wanne oder einem Betonkeller ausgeführt wurden, können mit relativ geringem Aufwand durch Verpressen im Bereich des Wassereintritts abgedichtet werden. Wer beim Bau seiner Immobilie auf eine Wannen-Lösung verzichtet habe, könne immer noch nachbessern, so Borrmann. Es bestehe sowohl die Möglichkeit eines Schutzes der Keller von innen als auch von außen mit einer nachträglichen Wanne, die jedoch von der Lage des Gebäudes auf dem Grundstück und der angrenzenden Bebauung abhängig sei. Diese Varianten seien allerdings kostspielig, machte Andreas Borrmann deutlich. Viele Bewohner des Krefelder Nordens äußerten im Anschluss an die Fachvorträge im Chat spezielle Fragen an die Experten. Andreas Borrmann konnte dabei für bauliche Maßnahmen generelle Verfahrenswege darstellen und riet, für individuelle Probleme und technische Lösungen Bausachverstände zu kontaktieren.

CDU kritisiert: Verwaltung noch Kommunalbetrieb halten sich für zuständig

„Die Bürgerinnen und Bürger im Nordbezirk stehen nun mit den Füßen im Wasser, weil weder Oberbürgermeister Meyer noch SPD und Grüne das Problem des hohen Grundwassers im Nordbezirk und Kliedbruch nachhaltig lösen wollten“, kritisiert Peter Vermeulen, Sprecher der CDU-Fraktion in der Bezirksvertretung Nord und planungspolitischer Sprecher der CDU-Stadtratsfraktion.

Seit Jahren besteht im Krefelder Nordbezirk das Problem, dass das Grundwasser in die Keller vieler Anwohner drückt. Durch die starken Regenfälle der letzten Wochen wird dies nun verstärkt. „Wir hatten als CDU bereits im November 2021 einen Antrag in den Umweltausschuss eingebracht, der eine nachhaltige Lösung vorsah. Vor allem wollten wir, dass die Stadtverwaltung endlich handelt. Nachdem dieser aufgrund von unklaren Zuständigkeiten mehrfach zwischen Ausschüssen hin und her geschoben wurde, hatten wir im Februar 2023 einen Antrag zur Klärung der Zuständigkeiten in den Rat eingebracht. Dieser Antrag wurde jedoch lautstark von SPD und Grünen abgelehnt. Auch von Oberbürgermeister Meyer kam weder Unterstützung noch Zustimmung. Wenn der OB sich jetzt mit Frau Lauxen hinstellt und erklärt, er würde nun helfen, dann kommt das jetzt einfach zu spät“, kritisiert Vermeulen.

In der vergangenen Woche hatte die Stadtverwaltung angekündigt, das Wasser in die Niepkuhlen zu pumpen. Allerdings muss damit gewartet werden, bis die dortigen Wasserpegel sinken. „Es klingt schon nach Hohn, wenn der OB nun erklärt, er könne sich in die Sorgen der Menschen hineinversetzen. Wir fragen uns schon, warum das nicht schon wesentlich eher passiert ist. Denn seit Jahren weisen die Anwohner vor Ort auf das Problem des Grundwassers hin. Das hatten wir als CDU aufgegriffen. Dazu kam dann, dass sich weder Verwaltung noch Kommunalbetrieb für zuständig gehalten haben. Unser damaliger Antrag im Rat sollte daher nicht nur eine Lösung aufzeigen, sondern auch dieses unwürdige Ping-Pong-Spiel beenden“, so Vermeulen.

Zuletzt hat sich die CDU-Fraktion in der BV Nord auch zum Thema des Kanalsystems eingebracht. „Ein reiner Schmutzwasserkanal ist in dieser Gegend ungeeignet. Da müssen wir ansetzen. Das Regenwasser muss für alle versiegelten Flächen vernünftig abgeführt werden.“, erklärt Ratsherr Peter Vermeulen.

Die CDU-Fraktion hatte im Februar 2023 einen Antrag in den Rat zum Thema Grundwasser im Nordbezirk eingebracht. Hintergrund des Antrags war das Problem, dass in den Fachausschüssen sowie dem Verwaltungsrat des Kommunalbetriebs Krefeld kein Konsens gefunden wurde, wer für die gesamte Thematik zuständig ist. Daraufhin hatte die CDU-Fraktion einen Antrag in den Rat eingebracht, der die Zuständigkeit klären sollte.

Inhaltlich sah der Antrag vor, dass die Stadtverwaltung beauftragt wird, eine nachhaltige Lösung zur Erhaltung der Bausubstanz der durch Grund- und Versickerungswasser bedrohten und betroffenen Gebäude zusammen mit den betroffenen Anwohnern zu erarbeiten. Dabei sollten auch weitere Optionen, wie beispielsweise die Einbindung des Flöthbachs, der Ausbau der Regenwasserkanalisation und Anlegung eines (unter- oder oberirdischen) Regen- /Grundwasserzwischenspeichers geprüft werden. Diese Ergebnisse sollten dann schnellstmöglich der Politik vorgestellt werden.

Damals stimmte eine Mehrheit von SPD, Grünen, Linken und Einzelvertretern gegen die CDU. Für den CDU-Antrag stimmten CDU, FDP und Freie Wähler.

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