Hanns-Peter Klasen, Chefarzt der Klinik für Geriatrie am St. Irmgardis-Krankenhaus Süchteln weiß, dass die Behandlung von Schmerzen im Alter eigenen Regeln unterliegt (Foto: St. Irmgardis-Krankenhaus Süchteln)
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Viersen. Patienten so zu behandeln, dass sie möglichst schmerzfrei und beweglich leben können – das ist eine der Aufgaben, die sich der Chefarzt der Klinik für Geriatrie am St. Irmgardis-Krankenhaus Süchteln, Hanns-Peter Klasen, und sein Team Tag für Tag stellen. „Bei älteren und hochbetagten Menschen ist dabei besonderes Fingerspitzengefühl gefragt“, weiß der Facharzt. Denn zu den akuten Schmerzen, die sie im Krankenhaus behandeln lassen, kommen oft langjährig chronische Schmerzen hinzu. Besonders herausfordernd wird es für Ärzte und Pflegefachkräfte der Geriatrie dann, wenn die Patienten dement sind. „Denn dann“, erklärt Hanns Peter Klasen, „können sie sich oft nicht mehr richtig artikulieren. Nicht genau erklären, wo der Schmerz sitzt oder wie stark er ist.“

In solchen Fällen gleicht die schmerztherapeutische Arbeit in der Geriatrie einer sprichwörtlichen Detektivarbeit. „Wir müssen ganz genau hinsehen“, sagt der Chefarzt. Das Team des St. Irmgardis-Krankenhauses ist dafür bestens geschult und hat spezielle Abläufe fest in den Arbeitsalltag integriert, um Schmerzen älterer und besonders dementer Patienten besser erkennen und einschätzen zu können.

Tägliche Schmerzbefragung

Dazu gehört eine regelmäßige Schmerzbefragung. „Jeder Patient wird täglich nach der Intensität seiner Schmerzen befragt und soll diese immer wieder neu auf einer Skala von null bis zehn bewerten“, erklärt Hanns-Peter Klasen. Denn: „Fragt man einen Demenzpatienten, ob sein Schmerz stärker oder weniger stark ist als am Tag zuvor, kann er sich daran oft nicht mehr erinnern.“ Die tägliche Befragung und das Dokumentieren ihrer Ergebnisse lassen eine Schmerzkurve entstehen, die Entwicklungen und Vergleiche auch dann möglich macht, wenn der Patient sich nicht mehr genau erinnert.

„Nichtsdestotrotz entspricht diese Kurve natürlich den subjektiven Äußerungen der Patienten“, erklärt Hanns-Peter Klasen weiter und ergänzt: „Die eigene Einschätzung von Demenzpatienten zur Intensität ihres Schmerzes entspricht nicht immer auch dem Zustand, den sie in der Klinik zeigen“, so der Chefarzt. Weil sie sich vielleicht nicht richtig ausdrücken können. Aber auch, weil Verwirrtheit, Angst oder depressive Störungen das Schmerzempfinden beeinflussen. Auf der anderen Seite können auch Schmerzen zu solchen Symptomen führen. „Für Demenzpatienten wird eine numerische Skala durch all diese Faktoren schnell unscharf“, formuliert es Hanns-Peter Klasen.

Ganz genau hinsehen

Für die Ärzte und Pflegekräfte der Süchtelner Geriatrie sei es daher unabdingbar, auf die Äußerungen von Patienten und Angehörigen einzugehen, aber auch selbst ganz genau zu beobachten, um eine Schmerzintensität möglichst richtig einzuschätzen.

Diese „Detektivarbeit“ ist nicht nur beim Einschätzen von Schmerzintensität notwendig, sondern oft auch bei der Suche nach deren  Ursprung. „Es kommt vor, dass wir Menschen wiederholt untersuchen und mehrfach diagnostizieren müssen, um dem Auslöser von Schmerzen auf die Spur zu kommen“, sagt Hanns-Peter Klasen.

Co-Medikation führt zum Erfolg

Ist die Ursache gefunden, ist bei älteren Menschen auch in der Medikation ein anderes Denken als bei jüngeren Patienten gefragt. Denn: „Bestimmte Medikamentengruppen, zu denen auch klassische Schmerzmedikamente gehören, haben bei älteren Menschen andere, manchmal sogar lebensbedrohliche Nebenwirkungen“, sagt der Chefarzt und nennt Nierenversagen als Beispiel. Die Fachleute der Süchtelner Geriatrie setzen daher auch auf eine sogenannte Co-Medikation.

„Wir kombinieren dabei Klassiker der Schmerztherapie wie Opiate mit Medikamenten, die direkt auf die Nerven wirken.“ Antidepressiva werden zum Beispiel teils zusätzlich eingesetzt. Denn diese hätten schon nach wenigen Tagen einen schmerztherapeutischen Effekt, erläutert Hanns-Peter Klasen. Durch das Kombinieren unterschiedlicher Medikamente lässt sich die Dosierung der Schmerzmittel so niedrig halten, dass sie auch für ältere Patienten unproblematisch bleibt.

Wichtig sei eine Regelmäßigkeit, um den gezielten Effekt zu erzielen. „Und Physiotherapie zusätzlich zu Medikamenten“, sagt Hanns-Peter Klasen. „Dann können auch viele ältere Patienten wieder ohne oder mit nur geringen Schmerzen leben.“

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