(Foto: Stadt Gelsenkirchen)
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Gelsenkirchen. Auf dem Empfang der Stadt am vergangen Freitag (8. März) zum Internationalen Frauentag wurden drei historische Gelsenkirchener Frauenpersönlichkeiten mit einem FrauenOrt NRW gewürdigt: Helene Badziong, Elisabeth Hennig und Elisabeth Nettebeck.

Die für die FrauenOrte vorgesehenen Informationstafeln wurden im Rahmen des Empfangs durch die Abteilungsleiterin Gleichstellung des NRW-Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration, Birgit Wehrhöfer, die stellvertretende Vorsitzende des FrauenRats NRW, Diane Tigges-Brünger, und Oberbürgermeisterin Karin Welge feierlich enthüllt.

Drei FrauenOrte in Gelsenkirchen

FrauenOrte in NRW ist ein vom Gleichstellungsministerium NRW gefördertes Projekt, mit dem der FrauenRat NRW e.V. historische Frauenpersönlichkeiten würdigt. „Wir wollen die historischen Frauen Nordrhein-Westfalens sehen und ihre Geschichte kennenlernen – und zwar nicht nur in Museen und Sonderausstellungen, sondern täglich und an alltäglichen Orten“, erläutert Birgit Wehrhöfer vom NRW-Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration.

„Frauen sind viel zu wichtig und zu klasse, um versteckt zu werden. Wir vom FrauenRat NRW wollen sie in ihrer Vielfalt, Stärke und Durchsetzungskraft zeigen. Deshalb haben wir das Projekt FrauenOrte initiiert, um systemischer Unsichtbarmachung ein Ende zu bereiten”, ergänzt Diane Tigges-Brünger.

Gelsenkirchen hatte sich mit drei weiblichen Persönlichkeiten um jeweils einen FrauenOrt beworben und konnte die Jury im Rahmen des Auswahlverfahrens mit allen drei Bewerbungen überzeugen. Von nun an sind drei FrauenOrte in Gelsenkirchen zu finden. „Wir freuen uns sehr über die Entscheidung der Jury“, so Oberbürgermeisterin Karin Welge. „Durch sie werden drei Gelsenkirchenerinnen gewürdigt, die hier vor Ort wegweisende Leistungen erbracht und sich mit ihrem Wirken nachhaltig für unsere Stadt eingesetzt haben. Die Informationstafeln an den drei FrauenOrten setzen dafür ein gut sichtbares Zeichen.“ Gewidmet sind die FrauenOrte Helene Badziong (DGB Haus der Jugend), Elisabeth Hennig (Getrud-Bäumer Realschule) und Elisabeth Nettebeck (Musiktheater im Revier).

Über Helene Badziong

Für Helene Badziong gehörten Gewerkschaftsarbeit und der Kampf um Frauenrechte zusammen. Mutig half sie Menschen bei der Flucht aus Nazi-Deutschland. Noch vor Kriegsende baute sie mit anderen politisch Oppositionellen Gewerkschaftsstrukturen für Bergarbeiter und deren Familien auf. Später gründete sie den gewerkschaftlichen Frauenhauptausschuss der Bundesrepublik mit. Sie war immer gesellschaftlich engagiert und setzte sich zeitlebens für die Gleichheit aller Menschen ein.

Helene Badziong kam 1917 in Gelsenkirchen in einer kinderreichen Bergmannsfamilie zur Welt. Das politische Milieu, in dem sie aufwuchs, prägte ihr Denken. Sie engagierte sich bei den Naturfreunden und der sozialistischen Jugend, übernahm bald die Funktion der Gruppenleiterin. Unerschrockenes Handeln war ihr selbstverständlich.

Mit 15 Jahren begann sie eine Lehre als Textilwerkerin in Gronau, trat der Textilgewerkschaft bei. Diese wurde nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten verboten. Sie beteiligte sich nun am Kampf gegen das NS-Regime. Sie schmuggelte verbotene Zeitungen, half Nazi-Gegnern bei der Flucht in die Niederlande.

1936 wurde sie mit anderen Widerstandskämpfern verhaftet und in der Untersuchungshaft brutal verhört. Ihre Haftstrafe wurde 1938 in eine Bewährungsstrafe umgewandelt. Sie begann eine Ausbildung als Werksfürsorgerin in der Gutehoffnungshütte in Oberhausen.

Noch vor Kriegsende traf sie sich mit Gleichgesinnten, um die Gründung der IG Bergbau vorzubereiten. Sie selbst engagierte sich zeitlebens in der gewerkschaftlichen Frauenarbeit. Sie nahm auch zahlreiche Ehrenämter an. Bis zu ihrem Tode 1998 lebte sie mit ihrer Partnerin Marlies zusammen.

Über Elisabeth Hennig

Elisabeth Hennig wurde 1900 in Düsseldorf geboren. Sie arbeitete stets an weltlichen Schulen. In Gelsenkirchen engagierte sie sich zudem in zahlreichen Organisationen der Sozialdemokratie: bei den Kinderfreunden, der Sozialistischen Jugend, den Roten Falken, aber auch im Volkschor und bei der Freien Volksbühne.

Nach ihrer Entlassung aus dem Schuldienst floh Elisabeth Hennig nach Amsterdam. Sie lebte von Hilfsarbeiten, absolvierte dann eine Ausbildung zur Schneiderin. Mit anderen Exilierten tauschte sie sich regelmäßig über die Lage in Deutschland aus, schmuggelte Schriften. 1941 wurde sie von der Gestapo festgenommen und 1942 wegen „Hochverrat“ zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Sie kehrte im Sommer 1945 nach Gelsenkirchen zurück und arbeitete wieder als Lehrerin, bald an der Getrud-Bäumer-Realschule. In ihrem Haus vermietete sie Zimmer an alleinstehende Frauen mit Kindern. 1958 starb sie an den Spätfolgen ihrer Haft.

Die alleinstehende Elisabeth Hennig kämpfte zäh und unerschrocken, mit bitterem Humor, für die Anerkennung ihrer politischen Betätigung im Exil, ebenso für einen angemessenen finanziellen Ausgleich – und hatte Erfolg.

Über Elisabeth Nettebeck

Elisabeth Nettebeck (geb. 1896) wuchs in einer alteingesessenen katholischen Handwerker-Familie in Schalke auf. Sie war die älteste Tochter von sechs Geschwistern.

Seit Anfang der 1920er Jahre gehörte sie dem Katholischen Deutschen Frauenbund an. Sie wurde Geschäftsführerin des Gelsenkirchener Zweigvereins und setzte sich ein für Mädchenerziehung und die politische Weiterbildung katholischer Frauen. Sie trat der Zentrumspartei bei, die 1933 von den Nationalsozialisten verboten wurde.

Nach dem Krieg beteiligte sich Elisabeth Nettebeck am Wiederaufbau des Katholischen Frauenbundes in Gelsenkirchen und übernahm 1955 dessen Vorsitz. Sie wurde Mitglied der CDU und engagierte sich kulturpolitisch.

Im Rat der Stadt Gelsenkirchen hatte Elisabeth Nettebeck den Vorsitz des Kulturausschusses inne. Hier setzte sie sich vehement für eine Aufwertung Gelsenkirchens durch moderne städtebauliche und kulturpolitische Projekte ein. Sie vertrat u.a. den Standpunkt, dass mit größter künstlerischen Freiheit ein modernes Theater entstehen solle. Auch dank ihrer Beharrlichkeit konnte das weit über Gelsenkirchen hinaus bekannte „Musiktheater im Revier“ umgesetzt werden.  Elisabeth Nettebeck starb 1969 in Gelsenkirchen.

FrauenOrte in NRW

Träger des Projekts „FrauenOrte in NRW“ ist der FrauenRat NRW e.V. Das Projekt wird gefördert durch das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. Schirmpatin ist Gleichstellungsministerin Josefine Paul.

Bis Ende 2025 will der FrauenRat NRW e.V. 50 Orte in Nordrhein-Westfalen kennzeichnen, an denen historische Frauenpersönlichkeiten gewirkt und gelebt haben, um ihren Beitrag zur Geschichtsschreibung NRWs sichtbar(er) zu machen. Die Vorschläge kommen aus der Bevölkerung, die Auswahl trifft der Vorstand des FrauenRats NRW auf Empfehlung eines ehrenamtlichen Fachbeirates.

Der offizielle Auftakt für das Projekt FrauenOrte in NRW fand im März 2023 in Düsseldorf statt.

FrauenRat NRW e.V.

Der Frauenrat NRW e.V. wurde 1970 als unabhängiger, überparteilicher und überprofessioneller Zusammenschluss aus heute rund 50 Frauenverbänden und -gruppen gemischter Verbände gegründet und vertritt mehr als zwei Millionen Frauen in ganz Nordrhein-Westfalen. Ziel ist, Gleichberechtigung der Geschlechter in allen gesellschaftlichen Bereichen zu fördern und zu unterstützen.

InfoKlick: https://www.gelsenkirchen.de/de/Soziales/Gleichstellung/

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