Jan-Henrik Scholte-Reh (Foto: © Jan-Henrik Scholte-Reh)
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Hünxe/Rhein-Ruhr/Berlin/Dresden. Die jüngsten Angriffe auf den SPD-Europapolitiker Matthias Ecke, die Attacke auf die Berliner Senatorin und Ex-Bürgermeisterin Franziska Giffey in einer Bibliothek, die Beschädigung eines Parteibüros von Bündnis’90/Die Grünen in Gelsenkirchen, sowie weitere Attacken auf Wahlkämpfer und Parteimitglieder in Dresden und Essen am vergangenen Wochenende sind alarmierende Zeichen. Glücklicherweise erholen sich die Betroffenen und in den meisten Fällen konnten die Täter identifiziert werden. Diese Vorfälle müssen uns allen als dringender Weckruf und ernste Mahnung dienen: In unserer Demokratie darf für Gewalt kein Platz sein. Dabei ist Gewalt gegen Politiker keine neue Entwicklung. Über die Jahre haben Amtsträger – von Bundesministern bis zu Kommunalpolitikern – und ihre Familien zunehmend Beleidigungen, Stalking und sogar Morddrohungen erlebt. Solche politisch motivierten Straftaten sind ein Angriff auf die Prinzipien unserer Demokratie.

Derweil hat sich der Ton im politischen Diskurs sowohl online als auch offline merklich verschärft. Die Worte von Alexander Gauland, “Wir werden sie jagen!”, haben eine bedrohliche Realität angenommen. Die ständige Hetze von extremistischen Gruppen bedrohen unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und verrücken mit jeder neuen Provokation die Grenze des Sagbaren. Dabei ist Kritik an der Regierung und ihren Entscheidungen ein fundamentales Recht in unserer Demokratie. Mehr noch ist sie eine Notwendigkeit, denn dadurch erhält unser Gemeinwesen die Möglichkeit, sich selbst zu korrigieren und neue Wege zu beschreiten. Doch niemals darf Gewalt als Mittel zur politischen Auseinandersetzung akzeptiert werden. Wann immer Schlägertrupps Bürgerinnen und Bürger einschüchterten, endete dies in Diktatur, Krieg und Verfolgung. Das Grundgesetz ist die Antwort auf das dunkelste Kapitel unserer Geschichte: Wir alle haben das Recht, unsere Meinung durch Wahlen, Petitionen oder öffentliche Diskurse zu äußern. Besser noch: Selbst Verantwortung übernehmen, politisch aktiv werden, einer Partei eintreten, mit Gleichgesinnten eine Partei gründen oder sich selbst einer Wahl stellen. So können wir friedlich Veränderungen der Regierungspolitik herbeiführen.

Leider werden neben Politikern auch Rettungskräfte, Polizisten und Lehrer zunehmend Opfer verbaler und körperlicher Übergriffe. Zweifellos benötigen wir mehr Polizeipräsenz, um diejenigen zu schützen, die sich für unser Gemeinwohl einsetzen. Doch das allein löst nicht die gesellschaftliche Ursache: Seit Jahren erleben wir durch die Vielzahl von Krisen eine wachsende Verunsicherung in allen Bevölkerungsgruppen. Ganz besonders zeigt sich das laut aktuellen Studien bei den jüngsten Generationen, die erhebliche Ängste um ihre eigene Zukunft haben. Populisten und Extremisten finden darin mit ihren einfachen Botschaften einen dankbaren Nährboden, lösen aber keines der großen oder kleinen Probleme. Sie treiben damit die Polarisierung und Totalisierung gesellschaftlicher Debatten voran und erschweren den demokratischen Prozess, machen ihn sogar verächtlich. Wenn wir diese Generationen nicht verlieren wollen, müssen wir dringend und spürbar in die Resilienz und Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft investieren!

Hinzukommt eine wachsende Gleichgültigkeit. Wir fühlen ohnmächtig und stumpfen durch den vielen “schrillen Lärm” ab. Wir verschließen die Augen und Ohren, ziehen uns ins Private zurück. Doch das darf auf keinen Fall passieren, denn wir alle tragen Verantwortung! Ob in der Politik, im Verein, in der Kirche, in der Gewerkschaft, am Arbeitsplatz – wir müssen wachsam sein, aufeinander Acht geben und dort „Halt!“ sagen, wo wir solche persönlichen und kollektiven Übergriffe erleben. Ein Angriff auf einen von uns ist ein Angriff auf die ganze Gemeinschaft. In dieser Frage kann es kein „Aber…“ geben! Die Stärke unseres Gemeinwesens bemisst sich daran, wie wir für eine friedliche, gerechte und offene Gesellschaft eintreten.

Als stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Hünxe, selbst aktiv in einer Partei und Mitglied verschiedener Vereine weiß ich, wie stark unsere Gemeinschaft besonders auf lokaler Ebene ist. Tagtäglich setzen sich unzählige Ehrenamtliche in Vereinen, Einrichtungen und Nachbarschaften für unser aller Gemeinwohl ein. Dieses Verantwortungsbewusstsein ist das Lebenselixier unserer Demokratie. Unser Zusammenhalt macht unsere Gesellschaft gegen diejenigen immun, die unser Land zu spalten versuchen. Lasst uns also geschlossen gegen Hetze vorgehen, den respektvollen Dialog suchen und gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit finden. Zeigen wir, wer wir sind: Wir sind die Vielen!

 

Ein KlarKlick von Jan-Henrik Scholte-Reh, Hünxe, SPD, stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Hünxe

Anmerkung der Redaktion: Unter KlarKlick versteht die LokalKlick-Redaktion Gastkommentare, die zur gesellschaftlichen Diskussion führen. Sie geben nur die Meinung des Gastkommentatoren wieder und sind nicht unbedingt die Meinung der Redaktion.

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