Stolperstein-Verlegung in Essen durch Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums am Stoppenberg Essen (Foto: Achim Pohl | Bistum Essen)
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Essen. Zwei Projektgruppen des Bischöflichen Gymnasiums am Stoppenberg haben das Schicksal einer Sinti-Familie recherchiert, die in den 1940 Jahren in der Nachbarschaft der heutigen Schule deportiert und im Vernichtungslager Auschwitz ermordet worden ist. Für sie wurden heute Stolpersteine an ihrem letzten Wohnort verlegt – die ersten im Essener Stadtteil Stoppenberg.

„Wasserstraße 34/12“ – das war die letzte bekannte Adresse der Familie Gross im Essener Stadtteil Stoppenberg. Diese Adresse gibt es heute nicht mehr. Aber an Familie Gross wird seit dem heutigen 8. Mai 2024 wieder erinnert. Zwei Projektgruppen des benachbarten Bischöflichen Gymnasiums am Stoppenberg haben recherchiert, wie die Sinti-Familie 1943 von den Nationalsozialisten aus dem damals als „Zigeunersiedlung“ bezeichneten Areal ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurde. Von zehn Mitgliedern der Familie Gross überlebten nur der Vater Josef Petermann und die älteste Tochter Lotte die Gräueltaten der Nationalsozialisten. Die 1911 geborene Mutter Amanda Gross und sieben ihrer acht Kinder wurden in Auschwitz ermordet, wobei es nur für die 11-jährige Maria ein konkretes Todesdatum gibt, den 7. Januar 1944.

Dank des Engagements der Schule erinnern nun neun messingfarbene Stolpersteine in der ehemaligen Wasserstraße – heute ein Teil des Rahmbruchswegs – an das Schicksal der von dort aus deportierten Mitglieder der Familie Gross. In einer kleinen Feierstunde wurden sie von zwei Mitarbeitern der Stadt Essen in den Gehweg eingesetzt- bewusst am 8. Mai: 79 Jahre nach der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus.

Von den Stolpersteinen des Künstlers Gunter Demnig gibt es allein in Essen mittlerweile über 400. Sie erinnern vor allem an jüdische Schicksale sowie an Angehörige anderer von den Nationalsozialisten verfolgte Gruppen wie Sinti und Roma, Euthanasieopfer oder Homosexuelle. Im Stadtteil Stoppenberg, im Schatten der heute als Weltkulturerbe berühmten Zeche Zollverein – damals das größte Bergwerk der Welt – sind die nun verlegten Erinnerungssymbole für Familie Gross jedoch die ersten Stolpersteine. Und es gäbe sie noch nicht, wenn Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse des Gymnasiums nicht in der jährlichen Projektwoche gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im vergangenen Jahr zusammen mit ihren Lehrkräften Uta Tanzer und Martin Forch auf die „Zigeunersiedlung“ gestoßen und sich in die Geschichte vertieft hätten. Unterstützt wurden sie dabei vom Historischen Verein für Stadt und Stift Essen e.V.

Bei der diesjährigen Projektwoche setzte eine neue Gruppe aus der Jahrgangsstufe 9 die Forschungen fort. Dabei stieß sie in alten Meldekarten der Stadt Essen und in digital zugänglichen Karteikarten aus dem Vernichtungslager Auschwitz auf das Schicksal der Sinti-Familie Gross. Womöglich werden diese ersten nicht die letzten Stolpersteine bleiben, die in Stoppenberg die Gräueltaten der Nationalsozialisten wieder ins Bewusstsein rücken.

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