(Foto: Alexandra Roth | Bistum Essen)
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Essen. Die ehemalige Gemeindekirche St. Theresia in Essen-Stadtwald sollte eigentlich abgerissen werden. Nun beherbergt das komplett entkernte Gotteshaus eine fünfgruppige Kita, eine große Kapelle und neue Räume für Gemeindegruppen. Außerdem wird das Gebäude künftig die Katholische Öffentliche Bücherei (KÖB) beherbergen, die zum ersten KÖB-Kulturort des Bistums Essen entwickelt wird.

Von oben sieht dieses Haus aus wie ein Kreuz. Das erkennt man auf den Rettungsplänen, die in jeder Etage auf Feuerlöscher und Fluchtwege hinweisen: Vier gleich lange Seiten, die sich in der Mitte treffen. In dieser Mitte haben rund 60 Jahre lang katholische Gläubige gemeinsam die Messe gefeiert, gebetet und um Verstorbene getrauert. Heute treffen sich in dieser Mitte rund 90 Kleinkinder zum täglichen Morgenkreis: Tagesauftakt in der nagelneuen Kita St. Theresia, die vor einigen Wochen in die umgebaute Gemeindekirche in Essen-Stadtwald umgezogen ist.

Die Kita-Kinder, Eltern und das Personal sind die ersten, die nach der gut zweieinhalbjährigen Umbauzeit wieder Leben in das 1958 errichtete Gotteshaus bringen. Doch dabei wird es nicht bleiben: Bis zur offiziellen Einweihung am 1. Oktober soll auch der letzte Baustaub aus den neuen Gemeinde- und Büchereiräumen über der Kita und aus der neu eingerichteten Kapelle gefegt werden, die ebenfalls in der ehemaligen Kirche eingerichtet worden sind und dann von der Gemeinde genutzt werden können. Dabei gab es in der Pfarrei St. Lambertus, zu der St. Theresia gehört, eigentlich ganz andere Pläne: „Wir hatten uns damit abgefunden, die Kirche abzureißen und hier eine neue Kita zu bauen“, beschreibt Gemeinderatsvorsitzender Claus Bonsen die Überlegungen, nachdem die Pfarrei in ihrem Pfarreientwicklungsprozess entschieden hatte, St. Theresia als festen Gottesdienststandort aufzugeben. Erst im Laufe der Planungen mit dem Essener Architekt Ansgar Rebbelmund sei dann die Idee entstanden, Kirche und Turm zu erhalten und die Kita in dem entkernten Gebäude unterzubringen. So sei dann auch noch Platz für die Gemeinderäume und die neue Kapelle entstanden.

Wasch- und Toilettenräume halten die neuen Zwischendecken

Hierfür mussten jedoch Zwischendecken eingezogen werden. Gar nicht so einfach in einem hohen Kirchenraum ohne Säulen. Zumal man im neuen Gebäude „auch weiter den früheren Kirchenraum erkennen können soll“, beschreibt Rebbelmund eine Leitidee. Als Lösung boten sich die Sanitärräume der Kita an. Rebbelmund konstruierte die Wasch- und Toilettenräume als Kuben, auf denen nun die Decken aufliegen, an deren runde Ecken vorbei man aber auch in die anderen Räume der Kita schauen kann. Glaswände ermöglichen den Blick von der Gebäudemitte in die verschiedenen Gruppenräume – und durch Fenster hinaus bis ins Freigelände, in dem gerade Garten- und Landschaftsbauer die neuen Spielflächen anlegen. Am besten wird die Dimension der früheren Kirche aber in der Gebäudemitte selbst deutlich: Sie ist wie ein Lichthof gestaltet und erlaubt den Blick bis hinauf zum Glasdach. Das bringt reichlich Tageslicht in die hell gestrichenen Kita-Räume – und wer noch nicht groß genug ist, um über die Brüstung zu schauen, kann im ersten Stock durch runde Guck-Löcher verfolgen, was am zentralen Ort der Kita passiert.

Die Heilige Theresia bleibt nicht nur als Namensgeberin der Kita präsent, sie scheint auch schützend über alle zu wachen, die das Gebäude betreten oder verlassen. Das Kirchenfenster mit ihrem Bild haben die Bauleute gesichert und nun im ersten Stock über dem Doppeleingang installiert, der rechts in die Kita und links zu den Gemeinderäumen führt. „Man kann an der Architektursprache erkennen, was alt und was neu ist“, erklärt Bauingenieur Benjamin Wiedemann, wie Rebbelmund Geschäftsführer des Büros ER-Plan und als Gemeindemitglied dem Umbau von St. Theresia nicht nur als Fachmann verbunden. So ahmt die neue Klinkerfassade am Eingang die frühere Klinkeranmutung der Kirche nach. Gleichzeitig gibt es mit stählernen Verlängerungen der Kreuz-Achsen des Gebäudes – zum Beispiel bei der Kapelle – nicht nur mehr Platz, sondern auch eine optische Modernisierung des Hauses.

Neue Bücherei mit großem Balkon und Stadtwald-Blick

Die Gemeinderäume sind per Treppe oder Aufzug erreichbar und bieten künftig Gruppen wie der Kolpingsfamilie oder den Pfadfinderinnen und Pfadfindern ein Zuhause. Höhepunkt im zweiten Obergeschoss dürfte indes die Bücherei werden, die künftig über der neuen Kapelle eingerichtet wird: Auf der ganzen Breite des Seitenflügels öffnet sich dieser Raum mit einer leicht ansteigenden Decke hin zu einer Fensterfront, die den Blick nach Westen über den grünen Stadtwald öffnet. Zudem führt eine Tür durch die Fenster auf einen großen Balkon. Hier sollen nicht nur Bücher und die vielen anderen Medien untergebracht werden, die bislang noch in der Katholischen öffentlichen Bücherei (KÖB) im Nachbargebäude lagern. Zugleich soll hier der erste KÖB-Kulturort des Bistums Essen entstehen: Ein Team der Ressorts Kultur- und Kirchenentwicklung im Bistum Essen hat aus vielen Bewerbungen verschiedener KÖB im Ruhrbistum St. Theresia ausgewählt, um dort das Pilotprojekt der Kulturort-Initiative zu starten. Künftig sollen die kirchlichen Büchereien neben der reinen Medien-Ausleihe weiterentwickelt werden zu Orten, die Gespräche und Diskussionen über Kunst, Literatur, Musik und die Werte des christlichen Glaubens ermöglichen. Das kann man sich hier auch ohne Bücherregale schon bestens vorstellen.

Zwei Etagen unter der eindrucksvollen Aussicht über den Stadtwald öffnet die neue Kapelle von St. Theresia ihre Tür. „Früher war hier die Taufkapelle“, erklärt Rebbelmund. Das Taufbecken hat auch in der neuen Kapelle einen Platz gefunden – und das nicht nur als Dekoration. „In der Nachbarschaft wohnen viele junge Familien“, sagt Bonsen. Deshalb sind auch in der neuen Kapelle wieder Taufen geplant. Behutsam haben sie einige Gegenstände aus der alten Kirche in der neuen Kapelle platziert: In der Rückwand sind die Steine sichtbar, die früher die sogenannten Apostelleuchter getragen haben, auch der Tabernakel hat schon seinen Platz. Vor allem besticht die Kapelle aber durch Freiraum, Fläche und den unverstellten Blick auf eine große Fensterfront, die die Künstlerin Maria Theresia von Fürstenberg mit dem Bild des „brennenden Dornbuschs“ gestaltet hat. „Diese Kapelle soll kein Museum werden“, betont Bonsen. Ganz im Gegenteil: Nicht nur die Kita nebenan, sondern auch die benachbarte Stiftsschule werden hier ihre Gottesdienste feiern. Außerdem wird es einmal pro Woche einen Werktags-Gottesdienst geben, und für individuelle Besuche soll die Kapelle tagsüber ebenfalls geöffnet sein. „Wir haben tolle Räume gebaut, jetzt müssen die Menschen sie mit Leben füllen“, sagt Wiedemann. Ab dem 1. Oktober – dem Gedenktag der Heiligen Theresia – wird die Gemeinde dazu reichlich Gelegenheit haben.

INFO: Die Kita St. Theresia
Mit dem Umzug in die umgebaute Kirche hat sich die Kita St. Theresia deutlich vergrößert. Am bisherigen Standort in der benachbarten Geitlingstraße gab es nur drei Gruppen und keine U3-Betreuung. Nun gibt es in der Goldfinkstraße fünf Gruppen: eine „Nestgruppe“ (mit Kindern im Alter von vier Monaten bis zu drei Jahren), drei Gruppen mit Kindern zwischen zwei und sechs Jahren und eine Gruppe ab drei Jahren. 19 Frauen und Männer betreuen die derzeit 92 Kinder in der Einrichtung des Kita-Zweckverbands im Bistum Essen.

INFO: Die Finanzierung
Für den Umbau der Kirche hat die Pfarrei St. Lambertus ein Budget von insgesamt rund 6 Millionen Euro bereitgestellt, unter anderem finanziert durch langfristige Kredite. Zuletzt haben vor allem gestiegene Preise in Folge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs die ursprünglich geplanten Baukosten deutlich erhöht. Dennoch hat die Pfarrei an dem Projekt festgehalten und versucht, durch Anpassungen – zum Beispiel bei der Gestaltung der Deckenverkleidung in wenig genutzten Räumen – so weit wie möglich Kosten zu reduzieren, ohne die grundsätzliche Qualität des Gebäudes zu verringern.

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