Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein (Foto: privat)
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Krefeld/Kreis Viersen/Mönchengladbach/Rhein-Kreis Neuss. Die Geschäftslage in der regionalen Wirtschaft hat sich im Frühjahr noch einmal leicht verschlechtert. Zum ersten Mal seit dem Winter-Lockdown 2020/21 melden in der Region mehr Unternehmen eine schlechte Geschäftslage als eine gute. Das ist das Ergebnis der Konjunktur-Blitzumfrage, die die Industrie- und Handelskammern (IHKs) Mittlerer Niederrhein und Düsseldorf im April durchgeführt haben. Knapp 600 Unternehmen aus der Region haben daran teilgenommen. „Immerhin sind die Unternehmen weniger pessimistisch als bei der Vorumfrage im Januar“, erklärt Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein. „Das lässt hoffen, dass die Talsohle bald erreicht ist.“ Insbesondere die Werte des Einzelhandels haben sich nach dem enttäuschenden Weihnachtsgeschäft wieder etwas stabilisiert.

22,9 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Lage als „gut“, 24,1 Prozent als „schlecht“. Der Geschäftslageindikator, der sich als Saldo dieser beiden Werte berechnet, liegt bei einem Wert von minus 1,2 Punkten und damit knapp unter dem Wert zum Jahresbeginn (+1,1 Punkte). Der Geschäftserwartungsindikator bleibt mit minus 7,1 Punkten im negativen Bereich, steigt jedoch deutlich um 13,6 Punkte. Immerhin 63 Prozent der Betriebe rechnen nicht damit, dass sich ihre gegenwärtige Geschäftslage grundlegend ändert, 14,9 Prozent der Unternehmen hoffen sogar auf eine verbesserte Entwicklung. Allerdings befürchten auch 22,1 Prozent eine Verschlechterung. „Auch wenn die Pessimisten gegenüber den Optimisten weiterhin in der Mehrheit sind: Seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine haben wir bei den Erwartungen keine günstigeren Werte gemessen“, erklärt Steinmetz. Einige Belastungsfaktoren gehen zurück. Insbesondere reagiert die Weltwirtschaft robuster als befürchtet auf die seit Herbst eskalierenden Auseinandersetzungen im Nahen Osten.

„Die Unternehmen haben aber noch kein nachhaltiges Vertrauen in die Inlandsnachfrage“, kommentiert Steinmetz. Denn 58,7 Prozent der Unternehmen sehen in ihr ein wesentliches Geschäftsrisiko für die kommenden Monate. „Höher war dieser Wert zuletzt im Juni 2020, kurz nach dem Ende des ersten Corona-Lockdowns“, so Steinmetz. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden von 45,9 Prozent der Unternehmen als Geschäftsrisiko angesehen. „Der Wert ist zwar höher als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre, aber geringer als bei der Vorumfrage im Januar. Mit dem Wachstumschancengesetz wurde im März ein Schritt in die richtige Richtung getan“, erklärt Steinmetz. Für einen echten Impuls bei den Investitionen seien die beschlossenen Erleichterungen aber zu gering gewesen. So planen 22,2 Prozent der Betriebe, ihre Investitionsbudgets zu erhöhen, 32,5 Prozent der Betriebe kürzen sie. Bei den vergangenen drei Konjunkturumfragen wurden jeweils ähnliche Werte gemessen.

42,5 Prozent der Unternehmen sehen in den Energiepreisen ein wesentliches Geschäftsrisiko. Das ist der niedrigste Wert seit drei Jahren. „Es sind viele Abgaben auf Energie, wie die EEG-Umlage und zuletzt auch die Stromsteuer, reduziert worden oder weggefallen. Und die Beschaffung ist nun preiswerter als in den Monaten nach Ausbruch des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine“, so Steinmetz. Bei den energieintensiven Branchen, die sich in der Vergangenheit von den Abgaben entlasten oder befreien lassen konnten, ist die Rechnung eine andere: Bei ihnen haben sich nun die Kosten für Beschaffung und Netzentgelte gegenüber 2020 fast verdoppelt. Deswegen sehen immer noch drei Viertel der Betriebe aus den energieintensiven Industriebranchen in den Energiekosten ein wesentliches Geschäftsrisiko. „Das Thema scheint sich in der Breite leicht entspannt zu haben, allerdings ist bei diesen sehr wichtigen Branchen keine Entwarnung zu verzeichnen. Die Chemische Industrie und die Metallindustrie haben durch die hohen Energiekosten an Wettbewerbsfähigkeit verloren“, sagt Steinmetz.

Trotz der mittlerweile vier Krisenjahre rechnet IHK-Hauptgeschäftsführer Steinmetz weiterhin nicht damit, dass es zu einer schweren Krise auf dem Arbeitsmarkt kommen wird. 16,7 Prozent der Betriebe möchten Beschäftigung aufbauen, 23,3 Prozent ihre Mitarbeiterzahlen senken. „Gleichzeitig melden uns wieder mehr als die Hälfte aller Betriebe, dass sie im Fachkräftemangel ein wesentliches Geschäftsrisiko sehen. Es gibt also Potenzial für einen weiteren Beschäftigungsaufbau, wenn die Mitarbeitenden verfügbar wären“, so Steinmetz.

Mit Blick auf die Branchen freut es Steinmetz besonders, dass der Einzelhandel bei der Bewertung der Lage und bei den Erwartungen deutlich bessere Werte als noch zu Jahresbeginn meldet. Seinerzeit standen die Betriebe unter dem Eindruck eines durchwachsenen bis schlechten Weihnachtsgeschäfts. „Langsam erholt sich die Verbraucherstimmung. Die Inflation geht zurück, und in diesem Jahr dürfte es zum ersten Mal seit 2019 wieder einen spürbaren Anstieg der Reallöhne geben“, sagt Steinmetz und hofft, dass sich diese Tendenz im Laufe des Jahres fortsetzt.

Eine schlechtere Lage als zu Jahresbeginn meldet die Industrie. Der Lageindikator liegt nun bei minus 6,3 Punkten, nachdem zu Jahresbeginn noch ein Plus von 2,8 Punkten erzielt wurde. Besonders betroffen sind weiterhin die energieintensiven Branchen mit unverändert schlechteren Werten als die Industrie insgesamt. Bei ihnen meldet zwar ebenfalls gut jedes fünfte Unternehmen eine gute Lage, aber mehr als 40 Prozent berichten über schlechte Geschäfte.

Mittlerweile können sich auch die Investitionsgüterproduzenten der Konjunkturflaute nicht mehr entziehen: Lageurteile und Erwartungen haben sich auf minus 3 Punkte (nach zu Jahresbeginn noch plus 19 Punkte) und minus 18 Punkte (zuvor erst minus 1 Punkt) deutlich verschlechtert. Dieser Industriezweig leidet immer mehr unter der Investitionszurückhaltung. „Das zeigt, dass die gesamte Industrie noch nicht über den Berg ist“, resümiert Steinmetz.

Die unterschiedlichen Entwicklungen von Einzelhandel und Industrie haben auch Auswirkungen auf den Großhandel. Der produktionsnahe Großhandel meldet schlechtere, der konsumnahe Großhandel bessere Werte als zu Jahresbeginn. Im Baugewerbe hat sich der negative Trend nicht weiter fortgesetzt – die Lage ist nur leicht schlechter als in der Vorumfrage. Bei den Erwartungen sinkt in der Branche der Anteil der Pessimisten von 43 auf 28 Prozent. Zuversichtlich sind jetzt 22 nach zuvor 11 Prozent der Unternehmen. „Das Baugewerbe setzt darauf, dass sich durch die spezifischen steuerlichen Erleichterungen für den Wohnungsbau im Wachstumschancengesetz die Nachfrage in diesem Segment wieder stabilisiert“, so Steinmetz abschließend.

Alle Ergebnisse der Konjunktur-Blitzumfrage sind auf der IHK-Website zu finden: www.mittlerer-niederrhein.ihk.de/6934

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