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Krefeld. „Der Bauchnabel? Nicht die?“ Suzan Temiz sitzt zusammen mit sechs anderen Frauen am Gruppentisch und schaut erstaunt in die Runde. Vor ihr liegt ein Blatt mit einer Illustration. Zwei Kinder sind abgebildet, die Pfeile zeigen auf bestimmte Körperteile, die benannt werden sollen.

Die anderen jungen Mütter kennen die Schwierigkeit, den richtigen Artikel im Deutschen zu finden. Sie kommen aus Polen, Slowenien, der Türkei, Pakistan und Kroatien. Viele beherrschen drei Sprachen. Aber diese verflixte Sache mit dem „Der, Die, Das“… Seit Kurzem beteiligt sich die Lindenschule am „Rucksack-Programm“, einer Initiative, bei der Eltern mit Zuwanderungsgeschichte zahlreiche Hilfen für die sprachliche Bildung ihrer Kinder an die Hand bekommen – eben ein „Rucksack“ gepackt wird.  

Bei wöchentlichen Treffen stehen vielfältige Themen auf dem Programm, die in Kooperation des Kommunalen Integrationszentrums (KI) mit sogenannten Elternbegleiterinnen erarbeitet werden. Die beiden Begleiterinnen, an der Lindenschule die gebürtige Serbin Pasa Muratovic sowie die aus der Türkei stammende Kezban Temiz-Cesaret, leiten die Gruppe. Die beiden haben einiges gemeinsam mit den anderen Müttern: Neben einer Zuwanderungsgeschichte gehen ihre Kinder ebenfalls in die Lindenschule. Und da geht es in der ersten Klasse gerade um den menschlichen Körper. Deswegen arbeitet die Müttergruppe parallel ebenfalls an dem Thema, die Frauen üben zuhause spielerisch mit den Kindern und lernen dabei natürlich selbst eine Menge. Dass ihre Mütter auch Hausaufgaben machen müssen, finden die Erst- und Zweitklässler natürlich super. 

 „Die Mehrsprachigkeit ist ein großer Schatz“, erklärt Sozialpädagogin Sengül Safarpour vom KI, die als fachliche Leiterin die Elternbegleiterinnen schult und berät. Dass das Beherrschen der Herkunftssprache auch die Erfolge im Deutschen oder einer anderen Zweitsprache fördert, ist lange wissenschaftlicher Konsens. Ganz bewusst unterstützt deshalb Schulleiterin Claudia Gehlings solche Initiativen, bei der neben der deutschen Sprache die Muttersprache als wichtige Ressource gilt. Es gibt eine Menge positive Erfahrung, berichtet die Direktorin, denn bei den Treffen „entstehen tolle Freundschaften und die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Eltern profitiert enorm.“ Dem Beobachter wird schnell klar, dass nicht nur sachliche Gesichtspunkte für die Initiative sprechen. Die fröhliche Atmosphäre, das bunte vielsprachige Gespräch während der Gruppentreffen – unterstützt von Sprach-Apps und Unterrichtsmaterial – spricht für sich.  

Trotz aller kulturellen Vielfältigkeit: Die Mütter aus sieben verschiedenen Sprachräumen stehen denselben Herausforderungen gegenüber, die auch deutsche Mütter und Väter bewältigen müssen. „Mein Sohn hängt viel zu oft am Computer – ich bekomme ihn kaum dazu, mal ein Kartenspiel mitzumachen“, erzählt eine Mutter mit türkischen Wurzeln. Die Sache mit den Medien und dem Grenzen setzen eben. Themen für eines der nächsten Treffen. Und bei dem wird es sicher wieder einen bunten Sprachenreichtum geben – aber auch ganz normale Alltagssorgen. Informationen zum Projekt und Teilnahmemöglichkeiten für weitere Schulen gibt es per E-Mail an senguel.safarpour@krefeld.de. 

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