Cem Aydemir (Foto: privat)
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Mülheim. Auf der Facebookseite der SPD Mülheim erklärte gegen Mitternacht der stellvertretende Parteivorsitzende Cem Aydemir seinen Verzicht auf die angekündigte Kandidatur als Parteivorsitzender und fordert führende Genossinnen und Genossen aus Fraktion und Partei auf, auch ihrerseits die gebotene Verantwortung zu übernehmen. So soll Aydemir seinen Schritt schon am Montagabend in der Fraktion erklärt haben. Eine offizielle Pressemitteilung seitens der Partei gab es bis jetzt nicht.

In seiner Erklärung sieht Aydemir die Zeit für den Neuanfang gekommen: „Wir müssen jetzt gemeinsam die Zukunft der Mülheimer Sozialdemokratie bewahren – durch einen überzeugenden inhaltlichen und personellen Neuanfang.“ Seitdem er die Führung der Partei übernommen habe, habe er sich wiederholt mit Botschaften an seine Parteifreundinnen und -freunde gewandt, um zu erklären, was vielen in der Partei nicht erklärlich war. „Wiederholtes Scheitern: Wir sind in einer schwierigen politischen Lage. Während die Bundespartei und Bundestagsfraktion intensiv die Nachfolge von Andrea Nahles diskutiert und die NRWSPD um inhaltliche Profilierung und Weiterentwicklung kämpft, befinden wir uns in Mülheim an der Ruhr in einer absoluten Patt-Situation in den eigenen Reihen.

Alle müssen spätestens nach der Europawahl und dem blamablen Scheitern beim Versuch, den Oberbürgermeister abzuwählen, verstanden haben, dass wir uns ändern und annähern müssen.

Der Unterbezirksvorstand hat in den vergangenen Monaten mehrere Vorschläge erarbeitet, um politisch und persönlich innerhalb von Partei und Fraktion sowie miteinander zusammenzukommen: Schlichtungskommission, (externe) Mediation, persönliche Gespräche, gemeinsamer Gesprächskreis. Nichts hat gewirkt, es herrschte teilweise Sprachlosigkeit“, so Aydemir.

Zur Verantwortung für die Mülheimer Sozialdemokratie erläutert Aydemir die Konfliktlinien aufzubrechen: „Ich habe vor über einem Jahr die faktische Führung der Partei mit Silvia Richter übernommen und habe diese seit Jahresbeginn allein inne. Ich weiß, worauf ich mich einlassen wollte. Meine Ambition, Vorsitzender der Mülheimer SPD zu sein, ist so stark wie nie zuvor! Doch ein glaubwürdiger Neuanfang für die Mülheimer Sozialdemokratie kann nur mit neuen, überzeugenden Köpfen an der Spitze von Partei und Fraktion gestartet werden. Mir sind auch die Vorbehalte und unverrückbaren Ablehnungen in den Reihen des Unterbezirkes nicht verborgen geblieben.“

Für Aydemir bleibe allerdings die Erkenntnis: „Alle Sozialdemokraten in Partei und Fraktion (und es sind aktuell leider nur Männer), die in den vergangenen Monaten die Hauptverantwortung getragen und die volle Aufmerksamkeit in dem ungelösten Konflikt auf sich gezogen haben, müssen ihre Ämter räumen.

Nur so kann die Mülheimer SPD mit neuen Köpfen eine stabile Zukunft aufbauen. Mein Verzicht auf das Amt des Parteivorsitzenden geschieht nicht aus Resignation. Es ist der erste wichtige Schritt in Richtung Konsolidierung und Zukunft.“

Der stellvertretende Parteivorsitzende werde die Partei bis zum Wahlparteitag am 28. September 2019 führen. Dazu gehöre auch weiterhin mit den Hauptverantwortlichen zu sprechen und bis zum Ende um Lösungen zu ringen. „Das gebietet der Anstand und die mit dem Amt einhergehende Verantwortung – ungeachtet der persönlichen und auch politischen Last“, so Aydemir. „Ich bin jedoch zur Überzeugung gelangt, dass jetzt die Zeit für die nachfolgende Generation gekommen ist, in der ersten Reihe der Mülheimer SPD zu stehen. Hierbei kann sie auf meine Unterstützung zählen. Dies erlaubt mir die persönliche, berufliche und vor allem finanzielle Unabhängigkeit vom Ehrenamt.“ Er habe keine Zweifel, dass sich kompetente und glaubwürdige Genossinnen und Genossen verpflichten werden, die Last der Verantwortung in dieser schweren Zeit für die SPD zu tragen. Ein neues Team wird die Herausforderung meistern, Partei und Fraktion zu einen und uns aus der Talsohle herausführen.

„Jede und jeder Einzelne von uns kann die Last ein Stückchen leichter machen. Ich bin sicher, dass die nachfolgende Generation klüger, besonnener und friedvoller handeln wird, als Dieter Spliethoff, Claus Schindler, Ulrich Scholten und ich dies getan haben. Sie werden aus unseren Fehlern lernen und auch lernen müssen“, hofft Aydemir mit seinem Kandidaturverzicht den richtigen Schritt zu gehen.

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