Rhein-Ruhr. Teure Mieten und Job-Wachstum in Städten zwingen viele zum Pendeln
Wenn Lebenszeit im Stau flöten geht: Die Zahl der Berufspendler hat einen neuen Höchststand erreicht. Im vergangenen Jahr kamen z.B. in Düsseldorf rund 258.000 Menschen zum Arbeiten regelmäßig von außerhalb in die Stadt – das sind 29 Prozent mehr als noch im Jahr 2000. Damals zählte Düsseldorf noch rund 200.000 sogenannte Einpendler, wie die IG Bauen-Agrar-Umwelt mitteilt. Die IG BAU beruft sich dabei auf eine aktuelle Auswertung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).
Ein-/Auspendler | 2000 | 2019 | Plus in % |
ein Düsseldorf | 200.000 | 258.000 | 29 |
ein Duisburg | 63.000 | 85.000 | 36 |
ein Essen | 95.000 | 126.000 | 33 |
ein Krefeld | 42.000 | 50.000 | 21 |
aus Krefeld | 40.000 | 46 | |
aus Kreis Wesel | 99.000 | 121.000 | 23 |
ein Mülheim | 35.000 | 22 | |
aus Mülheim | 27.000 | 36.000 | 34 |
ein Oberhausen | 37.000 | 34 | |
aus Oberhausen | 36.000 | 45.000 | 27 |
aus Rhein-Kreis Neuss | 97.000 | 122.000 | 26 |
Die Gewerkschafterinnen Doris Jetten und Karina Pfau sowie Gewerkschafter Peter Köster sprechen von einem „alarmierenden Trend“. Eine Hauptursache für den Pendel-Boom sei der Mangel an bezahlbaren Wohnungen in den Städten. „Eine wachsende Zahl von Menschen kann sich die hohen Mieten und Immobilienpreise aber gerade dort nicht mehr leisten, wo in den letzten Jahren besonders viele Jobs entstanden sind“, sagen die Bezirksvorsitzenden der IG BAU Düsseldorf, IG BAU Duisburg-Niederrhein und IG BAU Mülheim-Essen-Oberhausen. Die Folge seien immer längere Staus und überfüllte Züge.
Strecken von mehr als 50 Kilometern bis zum Arbeitsplatz seien für viele Pendler mittlerweile gang und gäbe, betonen Jetten, Pfau und Köster. „Dabei geht nicht nur wertvolle Zeit für Familie, Freunde und Hobbys verloren. Auch die Umwelt leidet unter der Fahrerei.“ Nach Angaben des Umweltbundesamtes geht knapp ein Fünftel aller CO2Emmissionen in Deutschland auf das Konto des Verkehrs.
Die IG BAU warnt vor einer Zunahme der Pendlerzahlen, sollte sich das Wohnen noch weiter vom Arbeiten entfernen. Nötig sei eine „drastische Wende“ in der Wohnungsbaupolitik. „Die öffentliche Hand muss viel mehr als bisher investieren, um bezahlbaren Wohnraum in den Metropolen und Ballungsräumen zu schaffen. Es fehlen vor allem Wohnungen im sozialen und im bezahlbaren Segment“, so die drei Gewerkschafter an Rhein und Ruhr.
Massive Investitionen seien aber auch im Bereich der Verkehrsinfrastruktur unverzichtbar, um die Pendler zu entlasten. „Vor allem beim Schienen-, Straßen- und Radwegenetz ist der Nachholbedarf groß“, machen Jetten, Pfau und Köster deutlich. Einen entscheidenden Beitrag gegen den „Pendel-Frust“ könnten zudem die Firmen leisten – indem sie es ihren Beschäftigten leichter machen, in Gleitzeit oder im Home-Office zu arbeiten.
Die Pendler-Problematik an Rhein und Ruhr ist Teil eines bundesweiten Trends: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit pendelten im letzten Jahr 39 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in eine andere Stadt oder einen anderen Kreis zur Arbeit.