Erster Schultag an der Katholischen Schule für Pflegeberufe Essen: 25 Teilnehmende starten ihre Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege (Foto: privat)
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Essen. Pilotprojekt in der Pflege geht in Essen an den Start

Die personelle Situation in den Pflegeberufen spitzt sich aus unterschiedlichen Gründen immer mehr zu. So wurden z.B. für bestimmte Krankenhausbereiche Personaluntergrenzen festgelegt und Grenzwerte in Bezug auf den Anteil von Pflegehilfskräften definiert. Dies soll dazu führen, dass zu jeder Zeit ausreichend qualifiziertes Personal zur Verfügung steht. Ein Teil der Pflegehilfskräfte und Pflegeassistenzkräfte, die mit viel Kompetenz in der Patientenversorgung tätig waren, muss daher durch Pflegefachkräfte ersetzt werden. Wo bleibt dieses oft langjährige Personal mit seinem erheblichen Potential? Der Lösungsansatz besteht darin, jenem Personenkreis die Möglichkeit zu bieten, den Erwerb der Berufsqualifikation Gesundheits- und Krankenpfleger/in unter Anrechnung ihrer bisher erworbenen Qualifikation und Berufserfahrung in einem Zeitraum von zwei Jahren zu ermöglichen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass zum 1. Januar 2020 das neue Pflegeberufegesetz in Kraft treten wird, in dessen Mittelpunkt eine neue generalistische Ausbildung steht, welche die drei Berufe Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege vereint. Besondere Eile ist hierbei geboten, da der Beginn für diese verkürzte Ausbildung noch vor dem Jahreswechsel unter den Bedingungen des derzeit gültigen Krankenpflegesetzes erfolgen muss.

Gemeinsam haben sich die Contilia GmbH, die Katholische Schule für Pflegeberufe Essen gGmbH und die Agentur für Arbeit Essen der Herausforderung gestellt und im Rennen gegen die Zeit und verschiedene, vor allem bürokratische Herausforderungen, ein Qualifikationsprogramm ins Leben gerufen, das bis dato einzigartig ist: 25 bereits Beschäftigte zwischen 25 und 50 Jahren, sind am 12. Dezember in eine verkürzte Ausbildung zum/zur examinierten Gesundheits- und Krankenpfleger/in gestartet. Die Teilnehmenden erhalten damit die besondere Chance, sich unter Anrechnung ihrer Helfer- oder Assistenzausbildung oder langjährigen Berufserfahrung in der Pflege, in zwei statt in drei Jahren zur Fachkraft zu qualifizieren und damit ihre gewohnte Aufgabenstruktur in der klinischen Pflege zu erhalten und ihre Verantwortungsbereiche sogar noch weiter auszubauen.

„Als Arbeitgeber stehen wir zunehmend vor der Frage, woher wir unsere so dringend benötigten Pflegefachkräfte rekrutieren. Ein Blick auf die heute gestartete Ausbildungsklasse der Gesundheits- und Krankenpflege zeigt, dass sich dabei auch der Blick nach innen ins Unternehmen lohnt“, erläutert Peter Berlin, Geschäftsführer des Elisabeth-Krankhauses Essen. „Gute Pflege basiert auf Fachwissen, der Anwendung theoretischer Konzepte und beruflicher sowie persönlicher Erfahrung. Vor allem aber auf Leidenschaft für diesen schönen Beruf. Durch die Qualifizierung von bereits erfahrenen und motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können wir genau diese Expertise auch zukünftig für unser Unternehmen nutzen – und das sogar noch verstärkt während die zukünftigen Fachkräfte von neuen Karrierechancen profitieren. Eine Win-Win-Situation für alle Seiten.“

„Dem Pflegenotstand zu entgegen, heißt auch, allen Interessierten Zugang zu Qualifizierungs- und Weiterbildungsgängen zu ermöglichen. Der Grundstein dafür wurde mit Einführung des Qualifizierungschancengesetzes gelegt. Dabei wollen wir Weiterbildung möglichst unkompliziert gestalten – für Teilnehmende und Arbeitgeber. Im Pilotprojekt, das heute an den Start gegangen ist, fördern wir alle Beschäftigten deshalb durch die vollständige Übernahme der Weiterbildungskosten sowie möglicher Fahrt- oder Kinderbetreuungskosten; der Arbeitgeber erhält zur Kompensation des Arbeitsausfalls in allen Fällen einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt“, führt Andrea Demler, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Essen fort.

„Trotz aller Vorteile bedarf es viel Mut der Teilnehmenden, nach Jahren, teilweise Jahrzehnten, wieder den Weg auf die Schulbank zu finden. In der Erstellung des Curriculums für die verkürzte Ausbildung in der Pflege war es uns deshalb trotz der zu komprimierenden Inhalte wichtig, genügend Zeit für Lerncoachings oder andere Unterstützungsangebote zu lassen. Das war gar nicht so leicht. Schließlich haben wir es durch die gemeinsame Anstrengung aller Partner geschafft, in nur wenigen Monaten einen anerkannten Ausbildungsgang auf die Beine zu stellen, welcher zukünftig gegebenenfalls auch als Grundlage für ähnliche Projekte dienen kann. Mit Michaela Stickling und Nina Weber werden zwei engagierte und erfahrene Pädagoginnen die Leitung für dieses Modellprojekt übernehmen“, resümiert Reinhard Dummler, Geschäftsführer der Katholischen Schule für Pflegeberufe Essen gGmbH.

„Essen ist einer der bedeutendsten Gesundheitsstandorte deutschlandweit. Damit das zukünftig so bleibt, braucht es innovative Ansätze und ein hohes Engagement aller Beteiligten vor Ort. Nur so können wir dem Fachkräftemangel entgegnen. Ein gutes Beispiel ist der Start des heutigen Pilotprojektes, welches es ohne die herausragende Netzwerkarbeit aller Partner so nicht gegeben hätte“, erklärt Dietmar Gutschmidt von der Stadt Essen.

Die Eindrücke des „ersten Schultags“ der angehenden Pflegefachkräfte zeigen, dass sich der Einsatz der Netzwerkpartner gelohnt hat.

„Ich arbeite seit über zwei Jahrzehnten in der Pflege und habe mit zunehmender Berufserfahrung auch immer verantwortungsvollere Aufgaben übernommen. Dass ich diese Aufgaben als angelernte Pflegekraft trotz meiner jahrelangen Expertise bald nicht mehr ausführen darf, war für mich unbefriedigend. Deshalb habe ich mir Gedanken über Qualifizierungsmöglichkeiten gemacht. Anfänglich hatte ich noch große Sorgen, den Schritt zu wagen und nach über 20 Jahren im Beruf noch einmal die Schulbank zu drücken; schließlich will auch Lernen wieder gelernt sein! Aber durch die Motivation meiner Vorgesetzten und die Gewissheit, dass ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Klassenzimmer dieselben Ängste, aber vor allem dieselbe Leidenschaft für den Beruf und den Willen, die Ausbildung erfolgreich zu meistern, teile, lassen mich voller Zuversicht auf die kommenden zwei Jahre blicken“, freut sich die 42-jährige Gabi Kalkhofer-Marinsek, 2-fache Mutter und seit über 20 Jahren im Elisabeth-Krankenhaus Essen als Gesundheits- und Krankenpflegehelferin beschäftigt.

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