Spender Henning Lange (Foto: privat)
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Essen. „Pfarrer bittet um Spenden für Gefangenenchor“ lautete am vergangenen Dienstag (25.01.) die Überschrift einer Meldung in WAZ und NRZ Essen. Der Anlass war ein Hilferuf des evangelischen Gefängnisseelsorgers Michael Lucka: Weil eine Kollekte für die Obdach-, Straffälligen- und Suchthilfe am letztjährigen Karfreitag in fast allen Gemeinden der Evangelischen Kirche im Rheinland wegen der Corona-Pandemie entfiel, stand das Chorprojekt für Gefangene in der Justizvollzugsanstalt Essen vor dem Aus. Auf den Aufruf in der Zeitung aber folgte unmittelbar die glückliche Wendung – und was für eine: „Gleich der erste Leser, der sich beim Kirchenkreis Essen meldete und nach unserer Bankverbindung fragte, hat den gesamten Betrag, der uns in diesem Jahr fehlt, gespendet – immerhin 2.500 Euro“, berichtet Michael Lucka.

Gut nachvollziehbar also, dass der Gefängnisseelsorger in diesem Fall von einer „Wundernachricht“ spricht und noch hinzufügt: „Es gibt sie also doch, die kleinen Wunder“. Der Verantwortliche für die gute Nachricht heißt in diesem Fall Henning Lange, ist vor zwölf Jahren aus Tübingen ins Ruhrgebiet gezogen und im Energiehandel für einen großen Essener Energieversorgungskonzern tätig. Die Spende passt zu den Erfahrungen, die der heute Vierzigjährige als Kind und Jugendlicher gesammelt hat: „Welche Freude das Singen den Menschen bereiten kann, habe ich damals viele Jahre lang als Chorsänger in meiner Kirchengemeinde erlebt“, erzählt der heute Vierzigjährige. „Dabei war es nicht nur der Spaß an der Musik, sondern vor allem das Singen in der Gemeinschaft, das mich begeistert hat.“ Nun halte er es für wichtig, den Gefangenen ähnliches zu ermöglichen: „Es sind Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Im Gefängnis geht es normalerweise vor allem um die persönliche Schuld und das Scheitern; da mag das gemeinsame Singen für sie einen kleinen, aber sehr wichtigen Lichtblick bedeuten. Außerdem ist nicht nur die Strafe, sondern auch die Resozialisierung ein Ziel der Haft – und ich glaube, dass die Kraft, die dem Singen in der Gemeinschaft innewohnt, in Menschen etwas zum Positiven bewirken kann.“

Dem pflichtet Michael Lucka bei: „Die Gefangenen freuen sich schon die ganze Woche auf die Chorarbeit. Obwohl sie hinter Gittern sitzen, fühlen sie sich während der Proben und der Gottesdienste ein klein wenig wie befreit – wie sie selbst sagen“, berichtete der Pfarrer in seinem Aufruf. „Tatsächlich singen Menschen im Chor, die vorher niemals gesungen haben. Es ist berührend, wie sie all ihre Sorgen und alles, was sie bewegt, heraussingen mit ganzer Kraft und voller Kehle. Deshalb freuen wir uns sehr, dass der Gefangenchor dank der großzügigen Spende weiter proben und in unseren Gottesdiensten auftreten kann.“

Die Kosten für das Chorprojekt in der JVA Essen belaufen sich pro Jahr auf 3.000 Euro – darin enthalten sind vor allem das Honorar für den Chorleiter, die nötige Anschaffung von Noten sowie Aufwendungen, die bei der einen oder anderen Probe mit einem auswärtigen Chor entstehen. 500 Euro werden als Eigenbetrag aus dem Budget der Gefängnisseelsorge bezahlt; der Fehlbetrag in Höhe von 2.500 Euro kann in diesem Jahr komplett durch die Spende von Henning Lange ausgeglichen werden. Die Spendenbitte in den Stadtteilausgaben von WAZ und NRZ hat noch mehr Leserinnen und Leser angesprochen: „Der Aufruf hat in vielen von ihnen offenbar etwas zum Klingen gebracht“, sagt Michael Lucka. „Wir haben in den Tagen nach Erscheinen der Meldung noch mehrere Gespräche mit hilfsbereiten Menschen geführt; fast alle waren oder sind in einem Chor aktiv. Ein anderer Anrufer hat uns einen großen Bestand an gut erhaltenen Noten angeboten, der einmal einem mittlerweile aufgelösten Männerchor gehörte – auch zu diesem Spender werden wir Kontakt aufnehmen.“

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