Renate Pirling bei der Grabung 1962 im Gräberfeld in Krefeld-Gellep (Foto: Stadtarchiv Krefeld und Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation)
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Krefeld. Im September 1962 entdecke sie in Krefeld den Goldhelm eines Frankenfürsten

Professor Dr. Renate Pirling ist im Alter von 92 Jahren in Tübingen gestorben. Die Archäologin leitete von 1961 bis 1994 das Krefelder Museums Burg Linn und erforschte in dieser Zeit das römisch-fränkische Gräberfeld in Krefeld-Gellep. Mit rund 6.500 Gräbern ist es das größte erforschte Gräberfeld nördlich der Alpen – mit zahlreichen einzigartigen Objekten. Alle Gräber und Funde dokumentierte Pirling und veröffentlichte die Ergebnisse in mehreren Bänden. Ihr bekanntester Fund war 1962 die Entdeckung eines fränkischen Fürstengrabes. Nach ihrer Pensionierung lebte sie in ihrer Heimatstadt Nürtlingen, wo sie bis ins hohe Alter an wissenschaftlichen Publikationen arbeitete. Zuletzt veröffentlichte sie „Gräber erzählen Geschichte“ (2015) und „Das fränkische Gräberfeld in Krefeld-Stratum“ (2017). Den Kontakt nach Krefeld brach sie nie ab. Sie kam immer wieder zum Besuch von Freunden und des Museums Burg Linn an den Niederrhein.

Renate Pirling wurde in Nürtlingen bei Stuttgart geboren, studierte in Tübingen und München Vor-, Früh- und Kunstgeschichte. Sie kam in den 1950er-Jahren zum ersten Mal nach Krefeld, um die Funde Albert Steegers aus dem Gräberfeld zu inventarisieren. Im Juli 1959 begann die Archäologin mit Studenten und zwei abgestellten Heizern der Stadt ihre erste Grabung. Eigentlich wollte sie sich anschließend in Heidelberg niederlassen. Als sie 1958 ein Telegramm vom Tod Steegers erreichte und kehrte sie sofort nach Krefeld zurück, um dort die archäologische Arbeit fortzusetzen. Der Stadtrat wählte sie schließlich 1961 zur Museumsleiterin. Als Frau hatte sie sich gegen 36 männliche Bewerber durchgesetzt. Vor allem konservative Stimmen in der Stadt kritisierten ihre Wahl.

Um sich ein „Erfolgserlebnis“ zu verschaffen, setzte sie alles daran, wieder graben zu können – was ihr auch gelang. Nach nur wenigen Tagen entdeckten sie eine gläserne Bacchus-Schale – damals eine kleine Sensation. Da Pirling damals noch keinen eigenen Pkw besaß, wurde sie mit einem städtischen Dienstwagen morgens zur und abends von der Fundstelle gefahren, den Kofferraum stets voller Objekte.

Professorin Dr. Renate Pirling 2015 bei einer Buchpräsentation im Museum Burg Linn (Foto: Stadtarchiv Krefeld und Stadt Krefeld, Presse und Kommunikation)

Der größte Fund ihrer Karriere gelang ihr im Herbst 1962: Die Kampagne verlief zunächst absolut enttäuschend. Über 200 Gräber wurden untersucht, die alle ohne Beigaben waren. Die Saison neigte sich dem Ende. „Wir mussten die mitarbeitenden Studenten noch einige Tage beschäftigen, weil ihre Verträge das so vorsahen“, erinnerte sich die Archäologin. Und so ordnete sie einen Versuchsschnitt an, der bald Gesteinsbrocken ans Tageslicht lieferte, die dort eigentlich nichts zu suchen hatten, und erahnen ließen, dass sie auf etwas Außergewöhnliches gestoßen waren: Das nicht ausgeraubte Grab eines fränkischen Fürstens namens Arpvar.

Seine Bestattung muss in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts erfolgt sein, also ein Zeitgenosse des Frankenkönigs Chlodwig. Es kam ein Fund nach dem anderen ans Tageslicht. Darunter befanden sich ein byzantinischer Spangenhelm und ein Ringknaufspatha (Langschwert). Vom Landesmuseum Bonn kam Hilfe für die Bergung, und die Studenten bewachten nachts den Ort, weil die Goldfunde erstmal im Boden blieben. Über 40 Artefakte entdeckten sie, darunter Goldmünzen, kostbare Edelsteine, eine Spatha (Schwert) und den heute weltberühmten Spangenhelm. „Wir kennen bis heute 44 Exemplare oder Fragmente von solchen. Ihre Verbreitung reicht von der Insel Gotland bis Nordafrika“, sagte Pirling.

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