Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Rundgangs, der trotz der nicht idealen Wetterbedingungen von zahlreichen interessierten Bürgerinnen und Bürgern besucht wurde. Mit dabei war auch (3. v.r.) der Mülheimer Bau- und Planungsdezernent Felix Blasch (Foto: privat)
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Mülheim an der Ruhr. Die Anwohnerinnen und Anwohner der Heimaterde beklagen beim Stadtteilrundgang die gefühlte Willkür der Stadtverwaltung bei der Anwendung der Denkmalbereichssatzung auf der Heimaterde.

Am Samstag, 10. September, hatte der SPD-Ortsverein in Heißen und auf der Heimaterde zu einem seiner regelmäßigen Stadtteilrundgänge geladen. Dieses Mal ging es erneut auf die Heimaterde, denn hier herrschen bereits seit geraumer Zeit Unruhe und Unmut wegen der Art und Weise, wie die Denkmalbereichssatzung angewendet wird – oder eben nicht.

„Wir sehen hier leider eine unklare Linie seitens der Stadtverwaltung, die bei den Betroffenen ihrer Entscheidung oft das Gefühl zurücklässt, dass nach nicht nachvollziehbaren Erwägungen mal so und mal so entschieden wird“, sagt Daniel Mühlenfeld, Heißener Stadtverordneter und Ortsvereinsvorsitzender.

Insofern waren die trotz des nicht optimalen Wetters teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger dankbar, dass auch der städtische Baudezernent Felix Blasch sein Kommen zugesagt hatte und vor Ort für Fragen und Diskussionen zur Verfügung stand.

Bei vielen strittigen Entscheidungen hinsichtlich der Auslegung der geltenden Denkmalbereichssatzung spielt das Thema Energie eine Rolle: Sei es eine energetische Sanierung, die wegen der Denkmalschutzregularien nicht wie gewünscht – und mit Blick auf Energiepreise und Klimaschutz erforderlich – umgesetzt werden kann; sei es, dass die Erlaubnis zur Installation einer Photovoltaikanlage oder einer Ladebox für ein Elektroauto mal erteilt, mal verweigert wird. „Da manche dieser unterschiedlich beschiedenen Anträge eigentlich gleich liegen was die baulichen Voraussetzungen angeht, sind die Irritationen und Fragen bei vielen Menschen hier im Stadtteil entsprechend groß: Sie wollen mindestens Erklärungen und besser noch Lösungen für ihre sehr berechtigten Anliegen“, sagt Carina Feske, stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende und selbst auf der Heimaterde wohnhaft.

Felix Blasch, frisch ins Amt gekommener Bau- und Planungsdezernent der Stadt Mülheim, ist sich bewusst, dass er mit diesem Thema eine Großbaustelle geerbt hat, die von seinem Vorgänger – wie so vieles – nur unzureichend bearbeitet worden ist. Er sicherte im Gespräch zu, Lösungen möglichst im Dialog mit den Betroffenen finden zu wollen: „Wir müssen von Fall zu Fall schauen, was geht und was nicht. Das geht nicht von heute auf morgen“, warb er für Verständnis für die Lage der Stadtverwaltung, die durch die geltende Denkmalbereichssatzung in der Tat in ihrem Entscheidungsspielraum eingegrenzt ist. Aktuell warte man, so Felix Blasch, auf Handreichungen seitens der Landesregierung, wie die jüngsten Novellen des „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ (EEG) sowie der Landesdenkmalordnung auszulegen und anzuwenden seien.

Für die örtlich SPD, die für das formale Dilemma, in dem die Verwaltung steckt, durchaus Verständnis hat, liegt genau hier der Kern des Problems und insofern auch der Ansatz zur dessen Lösung: „Die Denkmalbereichssatzung war nie ein Selbstzweck, sondern in ihren Ursprüngen ein Hilfsmittel, um die massive bauliche Umgestaltung der Heimaterde durch die ursprünglichen Bebauungspläne F11 und F12 zu verhindern“, so Daniel Mühlenfeld.

Insofern müsse man aus heutiger Sicht die Frage stellen, inwiefern die Denkmalbereichssatzung zumindest in der derzeitigen Form noch ihre Berechtigung habe, müsse daher diskutiert werden: „Als die Denkmalbereichssatzung verabschiedet wurde, waren Photovoltaikanlagen, Ladeboxen für Elektroautos und die Dringlichkeit unserer gegenwärtigen Energie- und Klimakrise noch mehr oder minder Zukunftsmusik“, so Carina Feske.

Hier müsse man dringend nachsteuern, so die Genossinnen und Genossen, denn: „Es kann nicht sein, dass wir einerseits aus offenkundigen Gründen so viel regenerative Energieerzeugung wie möglich und klimafreundliche Elektromobilität wollen, andererseits aber durch Denkmalschutzrecht genau diese Bestrebungen konterkariert werden“, so Daniel Mühlenfeld, zugleich umwelt- und energiepolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Rat der Stadt.

Steuere man hier nicht gegen, gebe es mit Blick auf die aktuelle Entwicklung der Energiepreise demnächst eine weitere eklatante Ungleichbehandlung in der Stadt: „Neben den Menschen, die aufgrund ihrer Einkommenssituation schon jetzt den Folgen der Energiekrise weitgehend schutzlos ausgeliefert sind und zu verarmen drohen, werden dann diejenigen kommen, die ja sogar bereit und finanziell in der Lage seien, mittels Photovoltaik und Elektromobilität einen eigenen, positiven Beitrag zur Lösung dieses gesamtgesellschaftlichen Problems zu leisten, denen dies aber verwehrt wird, sodass sie dann obendrein mangels einer Chance auf Eigenerzeugung den Auswirkungen der Energiepreisentwicklung ebenfalls schutzlos ausgeliefert sind. Das kann und darf nicht sein – schon gar nicht, wenn es dafür eine vergleichsweise einfache Lösung gibt: Die Denkmalbereichssatzung entsprechend zu modifizieren oder auszusetzen“, so Daniel Mühlenfeld

Mit einem solchen Schritt wird keineswegs sämtlicher Gestaltungsanspruch aufgegeben, das ursprüngliche Siedlungsbild so weit als möglich zu erhalten: „Zum einen muss man nüchtern konstatieren, dass es vor Festschreibung der Denkmalbereichssatzung bereits zahlreiche und weitgehende Eingriffe in das ursprüngliche Siedlungsbild gegeben hat, die rückwirkend auch nicht mehr zu beheben sind. Zum anderen müssen die gestalterischen Vorgaben mit der Zeit gehen und sich den veränderten Anforderungen der Zeit anpassen, gerade wenn es dafür so gute Gründe gibt wie die aktuelle Energie- und Klimakrise. Der Denkmalschutz ist für den Menschen da, nicht die Menschen für den Denkmalschutz“, bringt es Carina Feske auf den Punkt.

Die SPD in Heißen und auf der Heimaterde ist sich in diesem Punkt mit vielen Menschen auf der Heimaterde einig: Ein denkmalschutzrechtliches Festhalten an der reinen Lehre kann schon heute die Siedlung in ihrem ursprünglichen Bestand nicht mehr erhalten, weil die Denkmalbereichssatzung zu spät kam. Es kann also höchstens noch der aktuelle Stand konserviert werden – womöglich um den Preis, dass Leben und Wohnen auf der Heimaterde für viele der heute dort lebenden Menschen künftig vielleicht nicht möglich ist, weil fortschreitende Klimaveränderung ein Leben in einer hochversiegelten Stadt, die nicht einmal ihre Eigenerzeugungspotenziale nutzt, immer schwieriger und teurer wird. „Dieser Entwicklung müssen wir heute entgegenwirken“, so Daniel Mühlenfeld.

Zum Ende des Rundgangs zeigten sich trotz der Differenzen im Detail alle Beteiligten – Anwohnerinnen und Anwohner sowie auch Baudezernent Felix Blasch und die Vertreterinnen und Vertreter des Ortsverein – grundsätzlich zufrieden und dankbar für die Möglichkeit, in den direkten Dialog treten zu können, auch wenn sich noch nicht für alle Streitfälle unmittelbar eine allseits annehmbare Lösung abgezeichnet hat.

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