Die Krefelderin Julijana (buntes T-Shirt) und ihre Sporttherapeutin Sandra Goertz im Garten der Villa Sonnenschein beim Training (Foto: www.krebskinder-krefeld.de)
Anzeigen

Krefeld. Neues Vertrauen in die eigene Stärke schenken

Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend: Mit der „Power-Studie“ läuft in der kinderonkologischen Abteilung des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin am Helios Klinikum Krefeld seit Sommer 2021 ein zukunftsweisendes Sportprojekt. Sportwissenschaftlerin Sandra Goertz untersucht für ihre Doktorarbeit die Effekte einer gezielten Bewegungstherapie auf die körperliche und mentale Gesundheit junger Krebspatienten/-innen nach Abschluss ihrer Intensivtherapie. Finanziert wird das bis Ende 2025 angelegte Forschungsprojekt vom „Förderverein zugunsten krebskranker Kinder Krefeld.“

Im Garten des Elternhauses Villa Sonnenschein, unmittelbar gegenüber dem Helios Klinikum, hat Sporttherapeutin Sandra Goertz einen bunten Bewegungsparcours aufgebaut: mit Koordinationsleiter, verschiedenen Bällen, Balancekissen, Kettlebell, Kurzhanteln, Resistance-Bändern und einem Springseil. Hier ist sie mit der 13-jährigen Julijana verabredet. Bei ihr wurde im August 2020 die noch recht unerforschte Langerhanszell-Histiozytose diagnostiziert. Die Krankheit hatte zunächst Immunzellen im Schlüsselbein angegriffen und sich später auf andere Körperteile ausgebreitet. Drei Monate verbrachte die Krefelder Realschülerin in der Klinik. Schnell war für Julijana nach ihrer Intensivtherapie klar, dass sie an der Studie teilnehmen wollte. Von Dezember 2021 bis Juni 2022 erlebte sie jede Woche zwei individuelle Sporteinheiten – eine Kombination von Ausdauer- und Krafttraining, Koordinations-, Entspannungs- und Dehnübungen. „Ich fand es schön, mit Sandra gemeinsam zu trainieren, zu turnen und zu tanzen“, sagt die junge Probandin, die sich in ihrem Alltag schon viel besser fühlt, „auch wenn die Chemotherapie mich regelmäßig müde macht und Übelkeit verursacht.“

In enger Abstimmung mit dem Chefarzt der Krefelder Kinderklinik, Professor Tim Niehues, und Oberärztin Dr. Nina Brauer konnten bislang acht Probanden, die zur Nachsorge in Krefeld behandelt werden, in die Studie einsteigen. Die Stimmung aller Beteiligten ist äußerst positiv – auch bei den begleitenden Ärzten. „Es ist ein Herzensprojekt, an dem wir seit vier Jahren arbeiten. Was bei Brustkrebspatientinnen bereits durch viele Studien belegt ist, wird auch bei Kindern funktionieren, die an Krebs erkrankt sind: Wöchentlicher Sport mindert die Gefahr von Infektionen, verbessert die Stimmung und erleichtert die Integration in den Alltag“, betont Dr. Brauer. Sie arbeitet eng mit ihren Essener Kollegen/-innen aus dem Netzwerk „ActiveOncoKids“ zusammen, die den wissenschaftlichen Teil der POWER-Studie betreuen.

„Wir sind dem Förderverein sehr dankbar, dass er dem Projekt so offen gegenübersteht und es zwischenfinanziert“, freut sich die Krefelder Oberärztin. Und Jens Schmitz, Vorsitzender des Fördervereins, unterstreicht: „Es ist von Beginn an eine wichtige Aufgabe unseres Vereins, die Forschung zu unterstützen. Angesichts dieser Studie, die sich explizit an Kinder und Jugendliche richtet, sind wir sehr gerne Teil des Projekts.“ So sieht es auch die prominente Schirmherrin des Fördervereins, Anne Poleska-Urban, Olympiateilnehmerin 2004 und ehemalige Aktivensprecherin der Deutschen Schwimm-Nationalmannschaft: „Es ist schön zu wissen, dass ich dazu beitragen kann, Spenden für solche zukunftsweisenden und wichtigen Projekte zu sammeln. Als Sportlerin weiß ich, wie sehr sich ein gutes Körpergefühl auf das Wohlbefinden auswirken kann.“

Sandra Goertz weiß von ihren Probanden: „Durch die Krankheit selbst und die kräftezehrende Krebstherapie wird die körperliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen massiv eingeschränkt, und auch ihre Lebensqualität sinkt. Mit weniger Fitness geht oft ein vermindertes Selbstvertrauen einher. Das wirkt sich negativ bei der Wiedereingliederung in Schule, Sport und Gesellschaft aus. Wir möchten Kindern und Jugendlichen neues Vertrauen in die eigene Stärke schenken. Sport ist dabei ein tolles Instrument. Wenn wir anhand validierbarer Erkenntnisse belegen können, wie wichtig Bewegung für das Leben der Kinder ist und dass Sporttherapie als integraler Bestandteil sowohl während der intensiven Krebstherapie als auch in der Nachsorge angeboten werden muss, sollte es gelingen, sie in den Leistungskatalog der Krankenkassen zu integrieren.“

 


Die POWER-Studie

Im Juni 2021 wurden die ersten Probanden in die Studie eingeschleust. Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind Krebspatienten zwischen sieben und 23 Jahren, die sechs Wochen zuvor ihre Intensivtherapie im Helios Klinikum Krefeld beendet und sich damit schon ein wenig erholt haben. Bevor sie in die Studie starten, werden sie randomisiert, das heißt, sie werden durch einen statistischen Zufallsmechanismus in eine Sportgruppe und eine Kontrollgruppe aufgeteilt. Während die Patienten der Kontrollgruppe Vorschläge für eigene sportliche Aktivitäten bekommen, erhalten die Teilnehmer der Sportgruppe zweimal pro Woche ein Einzeltraining, wobei sich die Intensität nach ihren jeweiligen individuellen körperlichen Fähigkeiten richtet. Das Training besteht aus einer Kombination von Ausdauer- und Kraftübungen, Koordinations-, Entspannungs- und Dehnübungen.

Das Akronym „POWER“ steht für „Effects of a Physical activity program On cardiorespiratory fitness in children and adolescents folloWing acute cancER treatment”. (deutsch: „Effekte einer Bewegungsintervention auf die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen mit Krebs im Anschluss an die Intensivtherapie“).

Beitrag drucken
Anzeige