(Foto: Theodor Fliedner Stiftung)
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Mülheim an der Ruhr. Sechs Menschen mit Behinderungen legen Judo-Prüfung ab.

Aufgeregte Stimmung im Fliedner-Dorf. Auf den im Raum Rathaus ausgelegten Judomatten warten die sechs Nutzer:innen in ihren weißen Judogi auf Trainer Georg Wolters. Nach rund sechs Monaten Judo-Kurs steht heute die Prüfung an. Hoch offiziell, mit einem Prüfer des Nordrhein-Westfälischen Judoverbandes am Rand, die gelb-weißen Gürtel liegen als Trophäen bereit. Doch zuvor heißt es warm machen. Mit Lauf- und Koordinationsübungen stimmt sich die Judogruppe ein, in unregelmäßigen Abständen kommen die Kommandos von Übungsleiter Georg. Alle laufen über die Matte, plötzlich heißt es „Bauch!“ und so schnell wie möglich, gehen alle runter. „Weiterlaufen!“ „Rücken!“ „Weiterlaufen!“ „Kopf!“ Mit Rückwärtsrollen endet das Aufwärmprogramm.

„Für unsere Teilnehmer:innen geht es noch um viel mehr als um Techniken, hier wird Selbstbewusstsein, Selbstwert und Selbstsicherheit gelernt“, sagt Andreas Hesse vom Fliedner-Dorf. Aus dem Sozialdienst begleitet er die Gruppe, leistet wichtige Vermittlungsarbeit zwischen Trainer und Mannschaft. Ohne lange nachzudenken, warf er sich im Herbst auch selbst in einen blauen Judoanzug und absolviert heute ebenfalls die Prüfung. Mit Rehasport-Verordnungen wird der Bewegungssport der Teilnehmer über die jeweiligen Krankenkassen finanziert. Damit wiederum kann der SC Eintracht Mülheim die Übungsleitertätigkeit von Kursleiter Georg finanzieren. „Kann ich nicht, gibt es nicht, ist meine Devise“, so der Judolehrer. Ob mit oder ohne Einschränkung, für Judo sei so gut wie jeder Mensch geeignet. „Jetzt in Zweier-Teams aufstellen“, ruft er. Prüfung!

Zwei Wurftechniken und zwei Haltegriffe sind Hauptbestandteil der Prüfung, doch auch auf Ausführung und Feinheiten achtet der Prüfer Tim ter Smitten. Dann ist es soweit, immer zwei Judoschüler:innen stehen sich gegenüber, die anderen beobachten still vom Mattenrand. Konzentration und Gelerntes anwenden. Mit einem lauten Knall landen beide Judoka auf den Matten. Sofort der Haltegriff. „Gut gemacht“, bestätigt Prüfer Tim ter Smitten. Beide haben ihren Part erfüllt. Der werfende Judoka hat den Wurf sauber ausgeführt, doch auch der fallende Schüler ist gut mitgegangen. Der Knall kommt durch das Aufschlagen des Armes zustande. „Mit dem bewussten Aufschlagen wird beim Fallen der Schwung aus dem Körper genommen“, erklärt der Prüfer. Einige Augenblicke später steht fest: Alle haben die Prüfung bestanden und dürfen von nun an den gelb-weißen Gürtel tragen – und damit sogar schon am kommenden Turnier, den Landeseinzelmeisterschaften am 22.04.2023 in Oberhausen, teilnehmen.

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