Ein EPS-Nachtfalter an einer Lichtfalle zur Untersuchung der Falterfauna (Foto: M. Hertel)
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Kreis Kleve. Seit Jahrzehnten breitet sich der Eichenprozessionsspinner (EPS) immer weiter nach Norden aus und gehört seit vielen Jahren zum festen Arteninventar auch am Niederrhein. Er ist ein hübscher Nachtfalter und eine in Deutschland heimische Schmetterlingsart. Die Art profitiert von der Klimaerwärmung. Die Eier werden im warmen Wintern kaum geschädigt. So kann sich der Eichenprozessionsspinner im Frühjahr massenhaft ausbreiten. Die Raupen können sowohl aus gesundheitlicher als auch aus forstlicher Sicht ein Problem darstellen. Sie schlüpfen (je nach Witterung) im April und durchlaufen bis zur Verpuppung 5 bis 6 Entwicklungsstadien; dabei fressen sie austreibende Blätter von Eichen und leben in Familienverbänden. Ab dem 3.Larvenstadium (April/Mai) bilden die Raupen die reizend wirkenden Brennhaare aus und das akute Risiko für den Menschen ist in dieser Zeit am größten. Dazu hat der Kreis Kleve einen Flyer mit Hinweisen für Privatpersonen auf seiner Homepage veröffentlicht.

Um gesundheitlichen Problemen vorzubeugen, versprühen viele Kommunen jedes Jahr vorbeugend ein biologisches Mittel, das das Bakterium namens Bacillus thuringiensis (Bt) enthält. Aber dieses Mittel tötet nicht speziell die Raupen des EPS, sondern auch viele andere Insekten, in deren Verdauungstrakt es gelangt. Das sind alle Schmetterlingsraupen, die sich zu der Zeit von eingesprühten Blättern von Eichen oder Grashalmen darunter ernähren, aber auch Käfer und diverse Larven anderer Arten sind gefährdet. Dadurch kann der Bruterfolg von Singvögeln erheblich beeinträchtigt werden. Denn zahlreiche Vogelarten ernähren ihre Jungen im Frühjahr mit eiweißreichen Schmetterlingsraupen, vor allem aus Eichen. Auch für Fledermäuse sind solche Auswirkungen ebenfalls möglich. Denn in Eichen gibt es von Natur aus die meisten Raupen. Wie bedeutsam Eichen für die Artenvielfalt sind, veranschaulicht der derzeit laufende Kinofilm „Die Eiche mein Zuhause“ sehr beeindruckend. Wenn Insekten in dieser Nahrungskette auch nur kurzzeitig ausfallen (das Präparat verliert nach wenigen Tagen seine Wirkung), hat dies trotzdem weitreichende Konsequenzen für die gesamte Lebensgemeinschaft der Natur!

Das Umweltbundesamt weist in seinen Empfehlungen von 2016 und 2019 daraufhin, dass eine chemische Bekämpfung nur dann erfolgen darf, wenn nach einer vorherigen Befallsermittlung ein deutlicher Raupenbefall der Bäume festgestellt werden konnte. Eine vorbeugende Behandlung der Bäume ohne Befallsermittlung ist nicht sinnvoll. Jeder Einsatz ist sorgfältig abzuwägen; die Belange von Umwelt-, Natur- und Gesundheitsschutz müssen dabei berücksichtigt werden.

Wenn es sich um einen verhältnismäßig schwachen Befall handelt und/oder die betroffenen Gebiete von Menschen kaum genutzt werden, sollten Biozide nicht zur Bekämpfung eingesetzt werden. In Waldgebieten, in denen Eichenprozessionsspinner auftreten, können für die betroffenen Areale Warnschilder aufgestellt oder diese vorübergehend gesperrt werden. Sind einzelne oder wenige Bäume in der Nähe von Siedlungen oder in Bereichen befallen, die Menschen oft nutzen, können ausgebildete Schädlingsbekämpfer die vorhandenen Raupen oder Nester mit geeigneten Methoden entfernen.

Die langjährige Erfahrung der Niederlande zeigt, dass so ein gestuftes Vorgehen erfolgreich sein kann. Nach einer Risikoanalyse werden die befallenen Gebiete in Risikozonen eingeteilt und durch ein fortlaufendes Monitoring überwacht. Der niederländische Leitfaden (https://processierups.nu/leidraad-beheersing-eikenprocessierups/) wird regelmäßig den neusten Erkenntnissen angepasst. Die neuste Version erschien im Mai 2022. Einige Gemeinden im Kreis Kleve verzichten in diesem Jahr auf flächendeckenden Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen. Sie kontrollieren stattdessen ehemals befallene Bäume und bekämpfen den Eichenprozessionsspinner bei Bedarf mit geeigneten Maßnahmen.

Der NABU fordert die Kommunen auf, die positiven Erfahrungen der niederländischen Nachbarn und einiger Kommunen im Kreis Kleve aufzugreifen sowie den Empfehlungen des Umweltbundes-amtes zu folgen. Sinnvoll ist eine Kommunikation mit der Bevölkerung und mit Waldbesitzern sowie Forstbehörden. Es sollte ein Meldesystem bei der kommunalen Verwaltung eingerichtet werden, um in Zukunft auf vorbeugende, flächendeckende Bekämpfungsaktionen zu verzichten. Die Notwendigkeit von Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor den Brennhaaren des Eichenprozessionsspinners steht außer Frage, z.B. in der Nähe von Kindergärten oder Schulen. Die Entscheidung über Art und Umfang von Maßnahmen sollten jedoch immer auf das notwendige Mindestmaß beschränkt sein. Ein abgestuftes Konzept ermöglicht die Abwägung und Planung von Maßnahmen und vereinbart den größtmöglichen Schutz der Bevölkerung mit Zielen des Umwelt- und Naturschutzes.

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