Der Duisburger Innenhafen (Foto: Pixabay / EvgeniT / https://pixabay.com/de/photos/duisburg-hafen-kran-wasser-2181261/)
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Rhein-Ruhr. Die Region Rhein-Ruhr befindet sich aktuell dort, wo einige Bereiche der Lausitz irgendwann einmal hinkommen müssen. Nach der Schließung der Zechen und dem daraus resultierenden Bergbausterben war die Arbeitslosigkeit in der Rhein-Ruhr-Region hoch. Zugleich wurde die Metallindustrie verdrängt, was dazu führte, dass sich praktisch eine ganze Region völlig wandeln musste – und weiterhin muss. Denn es ist deutlich, dass ein völliger Strukturwandel nicht binnen vierzig Jahren vollzogen werden kann. Dieser Artikel gibt einen geschichtlichen Abriss und zeigt, wie entsprechende Projekte umgesetzt werden können.

Eine geschichtliche Einordnung

Seit der Industrialisierung lebte die Rhein-Ruhr-Metropole vom Kohleabbau und der Metallindustrie. Selbst in Kriegszeiten wandte sich die Industrie zwar dem Kriegshandwerk zu, lag jedoch erst in Trümmern still. Nach dem Krieg erfuhren der Kohleabbau und die damit verbundene Metallverarbeitung ihre absoluten Glanzzeiten. Mit Folgen, die letztendlich zum Strukturwandel führten:

  • Luftqualität – »Der ist weg vom Fenster.« Vielen ist der Hintergrund des Sprichworts nicht bekannt, doch bezieht es sich auf die Lungenkrankheiten der Zechenmitarbeiter, die morgens am Fenster verzweifelt nach Luft schnappten – bis sie nicht mehr gesehen wurden, also »weg vom Fenster« waren. Durch den Kohleabbau war die Luftqualität im Rhein-Ruhr-Gebiet katastrophal.
  • Kosten – wenngleich stets die glorreiche Zechenzeit genannt wird, so musste der Kohleabbau staatlich stark subventioniert werden. Der Abbau verursachte Kosten, andere Abbauländer waren deutlich günstiger. Aus diesem Grund musste umgedacht werden, weg von den Zechen, hin zu anderen Möglichkeiten.
  • Probleme – durch den Wegfall der Zechen verloren viele Menschen ihren Job. Viele Familien waren voll und ganz auf die Zechen angewiesen, da jeder von ihnen irgendwie im Schacht oder auf dem Gelände arbeiteten. Die hohe Arbeitslosigkeit führte zu gewaltigen Problemen, die sich auch abseits des Geschehens zeigten.
  • Gastarbeiter – die Gastarbeiter waren akzeptiert, doch in Zeiten der Arbeitslosigkeit wurden auch sie zum Ziel der gesellschaftlichen Anschuldigungen.
  • Strukturwandel – er musste erfolgen, auch, um der Arbeitslosigkeiten Herr zu werden. Der Dienstleistungssektor entstand in der Region, wandelte sich jedoch immer weiter. Heute sind einige Städte weniger für ihre Dienstleistungen denn für ihre digitale Szene bekannt.

Seit den 80er-Jahren hat sich das Bild der Region massiv verändert. Waren anfangs noch etliche Zechen geöffnet, kennen die Kinder aus den 80ern die schwarze Luft praktisch nur aus Dokumentationen oder Berichten. Von der Montanindustrie wurde nach und nach in den Dienstleistungssektor gewechselt. Dennoch haftet die Geschichte wohl jedem an, denn nahezu jeder hat in der Familie oder im Bekanntenkreis jemanden, der fest mit dem Kohleabbau verankert war oder ist.

Was viele nicht wissen: Auch heute laufen die Zechen noch weiter, denn durch den hohen Grundwasserspiegel im Ruhrgebiet müssen die Stollen immer wieder von Wasser befreit werden.

Wie lassen sich Brachflächen in Städten nutzen?

In der Rhein-Ruhr-Metropole gab es noch weitaus andere Probleme. Denn die alten Zechengebiete lagen brach. Viele Gebäude hatten jedoch Chancen, zu Denkmälern zu werden, sodass ein vollständiger Abriss obsolet wurde. Aber wie reagierte die Region?

  • Begrünung – etliche der ehemaligen Halden wurden im Sinne der Bürger aufgeforstet und zu Parks und Grünanlagen umgestaltet. Da sich insbesondere um die Zechen herum eine enge Wohnbebauung angesiedelt hatte, heben die grünen Perlen die Wohnqualität der Bezirke. Die Ausweisung neuer Baugründe zeigt sich indes in direkter Zechennähe oft als problematisch, da das Erdreich abrutschen kann.
  • Umwidmung – häufig wurden auf den Zechengeländen schlichtweg neue Betriebe angesiedelt. Mit den Jahren hat sich diese Umwidmung aber als kompliziert erwiesen, da die alten Gebäude einen hohen Renovierungsaufwand haben und somit oft abgerissen werden müssen.
  • Kultur – nicht nur eine ehemalige Zeche ist heute fest in der Kultur verankert. Museen unter und über Tage, Freizeitangebote, Konzerthallen und Kletterparks befinden sich praktisch in alten Zechen und Räumlichkeiten der Montanindustrie.

Der Strukturwandel in der Region ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Auch darf nicht vergessen oder verschwiegen werden, dass durch den Wandel neue Problematiken entstanden, die sich in fast jeder Stadt an der einen oder anderen Stelle offenbaren. Insbesondere in den Städten mit ehemaligen Zechensiedlungen zeigen sich die Symptome markant. Da durch den Strukturwandel auch die ›einfachen‹ Arbeitsplätze wegfielen, ist die Arbeitslosigkeit in diesen Vierteln bis heute hoch.

Zudem gibt es immer wieder Rückschläge, wie der Weggang von Opel oder zuvor schon Siemens. Das alte Opel-Betriebsgelände wird zwar umgebaut und nun unter anderem als Versandzentrum genutzt, dennoch erlitt die Region einen Rückschlag.

Strukturwandel als Erfolg: Beispiele für gelungene Projekte

Es gibt Bereiche im Rhein-Ruhr-Gebiet, die dem Wandel trotzen. Bis heute ist der Duisburger Binnenhafen der größte Binnenhafen Europas und verzeichnet wachsende Zahlen. Und obwohl das Bauprojekt »Eurogate/The Curve« wohl bis auf Weiteres nie vorangehen wird, hat die Stadt am Hafen einiges zu bieten:

  • Logport – das ist ein Logistikzentrum direkt am Binnenhafen. Im August öffnet es seine neuen Tore und bietet auch Bürgern die Chance, sich einmal auf dem Gelände umzusehen. Neben Führungen und Informationen sind Hubschrauberflüge über das Gelände möglich. Auch Kinder dürften am Tag der offenen Tür auf ihre Kosten kommen, den Kinder-Gabelstapler stehen ebenso bereit wie eine Hüpfburg. Ein Besuch des Zentrums dürfte auch für die interessant sein, die keine enge Verbindung mit der Logistik haben. Eine Besichtigung des Hafens ist stets ein Highlight.
  • Phoenix-See – die Naherholungsanlage liegt in Dortmund und ist ein gelungenes Beispiel für den Strukturwandel. Der See befindet auch auf der Fläche, die einst vom Stahlwerk von ThyssenKrupp beansprucht wurde. Nach einer fünfjährigen Bauzeit wurde der See im Jahr 2010 geflutet. Die Seefläche ist 24 Hektar groß, bietet Schwimm- und Wassersportmöglichkeiten, zugleich wurden eine Grünanlage und eine große Promenade erschaffen. Der See gilt übrigens zugleich als Notfallbecken bei Hochwasser.
  • Gasometer – das Industriedenkmal in Oberhausen ist in ganz Europa bekannt als höchste Ausstellungs- und Veranstaltungshalle. Einst war es ein Scheibenglasbehälter der Industrie, heute ist es unter anderem ein Museum und erreicht teilweise über 1.35 Millionen Besucher (Wunder der Natur).
  • Colosseum Theater – aus der mechanischen Werkstatt von Krupp wurde ein Theater, in dem unter anderem Musicals und Konzerte aufgeführt werden. Die denkmalgeschützte Industriewerkhalle, in der nach dem Weltkrieg unter anderem Gasturbinen hergestellt wurden, wurde mit den ebenfalls geschützten Nebengebäuden ab 1993 umgebaut.

Insgesamt orientiert sich die Region um, bleibt aber doch ihren Ursprüngen treu. In vielen alten Gebäuden befinden sich längst Büro- oder auch Wohnräume.

Fazit – viel geschafft und viel zu tun

Ist die Rhein-Ruhr-Metropole noch das, was sie in den 50ern, 70ern oder auch 90ern war? Nein, der Wandel weg vom Kohlestandort und Industrie zur Dienstleistungsörtlichkeit begann früh und ist definitiv noch nicht beendet. Noch heute werden die Vernachlässigungen der Zechenhochzeiten sichtbar, denn das Bildungssystem wurde teils arg vernachlässigt und die Einbindung der Gastarbeiter in die Gesellschaft fand nur am Rande statt.

Dennoch hat sich viel getan, gerade die Umwandlung alter Halden in Freizeitdomizile und der Erhalt der alten Industriedenkmäler und deren Umwidmung offenbaren die strukturellen Veränderungen. In anderen Bereichen bleibt sich die Region treu, wie das Beispiel des Binnenhafens Duisburgs zeigt. Er konnte noch ausgebaut werden und mit dem neuen Logistikstandort wird seine Wichtigkeit nochmals verstärkt, was sich auch positiv auf Duisburg auswirken wird.

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