Pfarrerin Ortrud Gaß (Foto: Wolfgang Filz/Archiv des Kirchenkreises Essen)
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Essen. Die Evangelische Kirchengemeinde Katernberg und der Kirchenkreis Essen trauern um Pfarrerin i.R. Ortrud Gaß, die am 16. August im Alter von achtzig Jahren verstorben ist. 32 Jahre lang, von 1971 bis 2003, wirkte sie als Pfarrerin in der Gemeinde, die sie als Vikarin kurz zuvor kennengelernt hatte. Die Trauerfeier findet am 24. August um 10 Uhr in der Kirche am Katernberger Markt 12 statt.

Ortrud Gaß wurde am 25. März 1943 in Remscheid geboren; ihr Abitur legte sie in Gummersbach ab. Nach einem Semester Englisch und Geschichte entschloss sie sich zu einem Studium der Theologie und wechselte an die Theologische Schule in Bethel. In ihrer Freizeit engagierte sich in den von Bodelschwinghschen Anstalten, begleitete Ferienfreizeiten für Menschen mit Behinderung und lernte die Arbeit einer Einrichtung für Frauen mit Epilepsie kennen. Weitere Studienorte waren Heidelberg und Marburg.

Den ersten Teil ihres Vikariats absolvierte Ortrud Gaß in der Bergischen Diakonie Aprath bei Wuppertal; ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit dort waren der Religionsunterricht und die Gruppenarbeit für „schwer erziehbare und milieugeschädigte Mädchen“ – eine Erfahrung, die auch ihren späteren Pfarrdienst prägte. In Aprath habe sie erlebt, zu welcher Erbitterung lieblose Vernachlässigung bei jungen Menschen führen könne, schrieb sie rückblickend. „Ich sah, wie die jungen Menschen darunter leiden, von ihren Eltern abgelehnt zu werden oder ihnen gleichgültig zu sein. Sie begegnen allen Erwachsenen mit Misstrauen und Zorn; beides ist nur in mühseliger Arbeit zu besiegen. Hier haben wir als Christen eine große Aufgabe.“

Im Anschluss an ein Jahr im Predigerseminar Bad Kreuznach kam Ortrud Gaß für den Abschluss ihres Vikariats erstmals nach Katernberg, wo sie am 23. August 1970 in der Kirche am Katernberger Markt zur Pfarrerin ordiniert wurde. Nach einer kurzen Zeit als Vertretungspfarrerin in der Nachbargemeinde Schonnebeck wechselte sie 1971 zurück nach Katernberg und wurde Pfarrerin des 2. Gemeindebezirks, als erste und lange Zeit auch einzige Pfarrerin im Essener Norden. Nach achtzehn Jahren Tätigkeit im Gemeindezentrum Katernberg-Nord übernahm Ortrud Gaß 1988 den Pfarrdienst im Gemeindebezirk Katernberg-Mitte. Auch hier blieben das Engagement für Kinder, die von ihren eigenen Eltern abgelehnt wurden, der Einsatz gegen Ungerechtigkeiten jeder Art und der Kampf gegen die Einsamkeit älterer Menschen ihre besonderen „Markenzeichen“. Mit Sorge beobachtete sie die zunehmende Unfähigkeit von Erwachsenen, ein gutes Gespräch mit Heranwachsenden zu führen. Aus dem Schweigen im Elternhaus erwachse bei jungen Menschen eine gefühlsmäßige Verarmung und Verrohung: „Wie sollen sie lernen, den Menschen als Mensch zu erkennen?“, fragte die Pfarrerin 1995 in einem Interview für die evangelische Kirchenzeitung „Der Weg“, anlässlich ihres 25jährigen Ordinationsjubiläums.

Kindertagesstätten und Jugendhäusern räumte sie einen hohen Stellenwert ein: Sie könnten die Geborgenheit des Elternhauses zwar nicht ersetzen, dürften aber keineswegs in ihrer Bedeutung als „zweite Heimat“ junger Menschen unterschätzt werden. In einem offenen Brief an den damaligen Oberbürgermeister Peter Reuschenbach setzte sie sich für den Erhalt der Stadtbibliothek Katernberg, für mehr Freizeit- und Bildungsangebote für junge Menschen, bessere weiterführende Schulen und eine gute Verkehrsanbindung des Stadtteils ein.

Auch der Besuch von Gemeindegliedern, bei jüngeren, berufstätigen nach Voranmeldung, bei älteren ohne, wurde Ortrud Gaß in späteren Dienstjahren wieder zunehmend wichtiger. Geborgenheit könne der Mensch letzten Endes nur in Gott finden; nur auf diesem Grund könne er sein Leben gestalten, lautete ihr Credo. „Alle Bemühungen, die eigene Existenz durch Geld, Mode oder Erfolg zu rechtfertigen, geben Menschen keinen Halt. Immer ist ein anderer schöner, klüger, reicher oder gesünder als man selbst. Der Mensch ist nicht zum Leben verdammt, vielmehr ist das Leben ein Geschenk.“ Alles, was das Leben ausmache – Beziehungswerte wie Güte, Geduld, Barmherzigkeit – offenbare Gott in der Gemeinde. – Am 27. Juli 2003 wurde sie von der Gemeinde in den Altersteildienst verabschiedet, blieb aber im Stadtteil wohnen: „Nach so vielen Jahren fühle ich mich als Einheimische.“

Den Trauergottesdienst für Ortrud Gaß hält Pfarrerin Annette Stolte am Donnerstag, 24. August, um 10 Uhr in der Kirche der Evangelischen Kirchengemeinde Katernberg, Katernberger Markt 12; im Anschluss erfolgt die Beisetzung auf dem Gemeindefriedhof an der Victoriastraße 27. Statt zugedachter Blumen und Kränze wird um eine Spende für das Hospiz Essen-Steele e.V., Sparkasse Essen, IBAN DE23 3605 0105 0001 2188 66, Kennwort „Ortrud Gaß“, gebeten.

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