Eine Sepsis ist der schwerste Verlauf einer Infektionserkrankung. Rund 230.000 Menschen erkranken in Deutschland jährlich daran, mindestens 85.000 davon versterben. (Foto: Dr. Christian Hermanns/DGAI e.V.)
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Moers/Nürnberg/Essen/Aachen/Rhein-Ruhr. Die Sepsis, oft als “Blutvergiftung” bezeichnet, ist eine der häufigsten Ursachen für vermeidbare Todesfälle und die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Dennoch herrscht große Unwissenheit über diese ernsthafte Erkrankung und ihre Prävention.

Eine Sepsis ist eine überschießende Reaktion des gesamten Körpers auf eine ursprünglich begrenzte Infektion, die unter bestimmten Umständen auf weitere Organe übergreifen und zu einer unkontrollierten Immunantwort führen kann. Diese beeinträchtigt weitere Organe und kann zu einem Multiorganversagen führen, dass unbehandelt tödlich endet.

Welt-Sepsis-Tag am 13.09.2023

Prof. Dr. Christoph Vogt (Foto: privat)

Durch gezieltes Erkennen der Sepsis und rechtzeitige ärztliche Interventionen sind viele Fälle entweder vermeidbar oder behandel- und heilbar. Am Welt-Sepsis-Tag, dem 13. September, werden weltweit Aktivitäten organisiert, um auf die Mängel in der Prävention, Diagnose und Behandlung aufmerksam zu machen.

“Die Sterblichkeitsrate durch Sepsis in Deutschland ist im Vergleich zu anderen Ländern immer noch inakzeptabel hoch”, sagt Prof. Dr. med. Christoph Vogt, Infektiologe und Antibiotika-Experte aus dem St. Josef Krankenhaus in Moers. „Impfungen z.B. gegen Grippe und Pneumokokken, frühzeitige Sepsis-Erkennung – vor allem bei Risikopatienten – und passgenaue rechtzeitige Antibiotikatherapien sind entscheidend“. “Auf diese Weise könnten bis zu 20.000 Todesfälle vermieden werden,” betont Dr.med. Andreas Secchi, Intensivmediziner und Antibiotika-Experte.

Eine Sepsis entsteht durch eine Infektion

Eine Sepsis entsteht aus einer Infektion heraus. Krankheitserreger wie Bakterien, Viren oder Pilze dringen in den Körper ein und vermehren sich rasch. „Die häufigste Ursache für eine Sepsis sind Atemwegserkrankungen wie Lungenentzündung (Pneumonie), gefolgt von Infektionen des Bauchraumes (z. B. Darmentzündungen, Entzündungen der Gallenblase) und Harnwegsinfekten. Aber auch andere Infektionen, wie Infektionen der Herzklappen, des zentralen Nervensystems oder von Knochen, Haut- und Weichteilen, können ursächlich für eine Sepsis sein“ meint Dr.med. Michael Jonas (Ärztlicher Direktor und Orthopäde). In manchen Fällen kann trotz umfangreicher diagnostischer Maßnahmen der Infektionsherd nicht bestimmt werden. Theoretisch kann eine Sepsis aus jeder Infektion entstehen.

Eine Sepsis kann jeden treffen. Warum ist Sepsis so gefährlich?

Sepsis, oft als “Blutvergiftung” bezeichnet, ist die schwerste Form einer Infektion und endet unbehandelt oft tödlich. Jährlich erkranken in Deutschland mindestens 230.000 Menschen daran, mindestens 85.000 sterben daran. Im Krankenhaus sterben doppelt so viele Menschen an einer Sepsis als an einem Schlaganfall und Herzinfarkt zusammen. Dabei wäre ein großer Teil der Erkrankungen und Todesfälle vermeidbar, denn Prävention, Früherkennung und passgenaue Antibiotikabehandlung sind entscheidend, um die Zahl der Sepsis-Fälle und Todesfälle zu reduzieren. Sepsis kann in jedem Lebensalter auftreten.

Bestimmte Personengruppen sind besonders gefährdet:

  • Menschen mit chronischen Erkrankungen, z. B. der Lunge, Leber oder des Herzens
  • Menschen mit geschwächtem Immunsystem, z. B. Diabetes-, Krebs-, Dialyse- oder AIDS-Patienten
  • Menschen ohne Milz
  • Menschen über 60
  • Schwangere Frauen und Mütter nach der Geburt
  • Früh-, Neugeborene und Kinder bei fehlenden Impfungen, wie z. B. gegen Grippe, RSV, Pneumokokken oder COVID-19
  • Menschen, die unter einer Mangelernährung leiden
  • Menschen, die abhängig von Drogen oder Alkohol sind
  • Menschen bei denen eine Operation noch nicht lange her ist (unter 4 Wochen)
  • Menschen mit einer künstlichen Herzklappe oder Gelenken
  • Menschen, die schon einmal an einer Sepsis erkrankt waren

Diese Risikogruppen sollten bei begrenzten Infektionen frühzeitig hausärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, um die Anzeichen einer beginnenden Sepsis richtig zu deuten und ggf. eine rechtzeitige Behandlung einzuleiten.

Behandlung einer Sepsis im St. Josef Krankenhaus

„Die Behandlung der Sepsis erfordert sowohl das Know-how verschiedener Spezialisten, darunter Infektiologen, Antibiotikaexperten (sogenannte Antibiotic Stewardship Experten), Mikrobiologen und Intensivmediziner sowie Ärzte der Fachrichtung, aus deren Bereich die ursprüngliche Infektion herrührt, als auch ein gemeinsames interdisziplinäres Vorgehen“, meint Prof. Vogt.

St. Josef Krankenhaus gibt umfangreiches Expertenwissen weiter

Das St. Josef Krankenhaus in Moers ist eine anerkannte Ausbildungsstätte für die Zusatzweiterbildung Infektiologie und Prof. Vogt besitzt die vollzeitige Weiterbildungsermächtigung dieser medizinischen Disziplin. Der Fachbereich Infektiologie des Zentrums für Innere Medizin ist auf Diagnostik, Therapie und Vorbeugung von Infektionskrankheiten spezialisiert. Neben der stationären und ambulanten Betreuung von Patienten liegt ein Schwerpunkt auf der Beratung interner und externer ärztlicher Kollegen bei infektiologischen Fragestellungen. Außerdem werden regelmäßig regionale und überregionale Arztfortbildungen zu Sepsis und anderen Infektionserkrankungen angeboten.


Anästhesiologie will die gefährlichen Geheimnisse rund um die Erkrankung aufdecken

von Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) /
Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA)

Es ist eine der häufigsten Todesursachen: Rund 230.000 Menschen erkranken jährlich in Deutschland an einer Sepsis, mindestens 85.000 davon versterben – auch, weil das Wissen über Symptome im Allgemeinen sowie das fachspezifische Wissen über das, was bei einer Sepsis im Körper genau passiert, noch zu gering ist. Zum Welt-Sepsis-Tag, der alljährlich am 13. September stattfindet, wollen die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) sowie der Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) daher auf die Bedeutung rechtzeitiger Erkennung und Forschung zum Thema aufmerksam machen.

„A und O ist, die Sepsis frühzeitig zu diagnostizieren“, erklärt Prof. Dr. Gernot Marx, Leiter der Klinik für Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum Aachen und designierter Präsident der DGAI. In diesem Fall kann die Erkrankung meist gut behandelt werden. Doch viel zu häufig verstreichen wertvolle Stunden, bis die Sepsis erkannt und eine Behandlung eingeleitet wird. „Das muss sich ändern und dazu wollen wir beitragen“, so Marx.

So wollen DGAI und BDA einmal mehr typische Symptome einer Sepsis in Erinnerung rufen. „Im Volksmund wird die Sepsis häufig als Blutvergiftung bezeichnet“, erläutert Marx. Doch mit einer Vergiftung habe die Krankheit eigentlich nichts zu tun. „Eine Sepsis ist der schwerste Verlauf einer Infektionserkrankung. Sie entsteht, wenn die Wirtsantwort auf die Infektion durch z.B. Bakterien, Pilze oder Viren derart aus dem Ruder läuft, dass es zum Auftreten schwerer Organfunktionsstörungen oder gar zum Organversagen kommt.“

Nie zuvor gekanntes Krankheitsgefühl

Natürlich verläuft der weit überwiegende Teil von Infektionen völlig unauffällig. In seltenen Fällen jedoch kann eine Infektion eine Sepsis auslösen. Eines der Anzeichen ist dann, dass Erkrankte ein nie zuvor gekanntes Krankheitsgefühl haben oder darüber klagen. „Wenn auch noch der Pulsschlag übermäßig stark ansteigt, die Atmung deutlich erschwert ist, extreme Schmerzen auftreten oder sich die Haut feucht-kalt anfühlt, ist es höchste Zeit, Hilfe zu rufen“, erklärt Marx.

Für die Experten in der Anästhesiologie ist es indes ebenso wichtig, die Umstände, die zu einer Sepsis führen, sowie Abläufe, die sich dabei im Körper abspielen, genau zu erforschen – und daraus Schlüsse für die Behandlung zu ziehen. Zu den neuesten Studien gehört daher zum Beispiel das deutschlandweite Projekt „DigiSep“ unter Leitung der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Essen.

Dieses untersucht, wie Patienten von einer neuen, digitalen Methode zur Bestimmung des Erregers profitieren. Die DGAI hat dieses Projekt über ihr Forschungsnetzwerk TIFOnet realisiert – und damit den richtigen Nerv in der klinischen Forschung getroffen. „Deutlich mehr als die initial geplanten 20 Kliniken wollten im Verlauf der letzten zwei Jahre an der DigiSep-Studie teilnehmen, was das große klinische Interesse an Sepsis und digitaler Diagnostik widerspiegelt“, verdeutlicht Prof. Dr. Thorsten Brenner, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Essen und Sprecher der Sektion Intensivmedizin in der DGAI.

Wie kommt es zum Organversagen?

Einer, der sich im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit der Sepsis-Forschung verschrieben hat, ist Prof. Dr. Jan Roissant, Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie des Universitätsklinikums der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Als Leiter des klinischen Forschungsverbunds „Organdysfunktion im Rahmen systemischer Inflammationssyndrome“ erforscht er die Entzündungsreaktionen und ein nachfolgendes Organversagen bei einer Sepsis und wird dafür in diesem Herbst von der DGAI mit dem von der Firma Franz Köhler-Chemie gestifteten Inflammation-Award 2023 ausgezeichnet.

Zum Welt-Sepsis-Tag machen DGAI und BDA auf das World Sepsis Day Event 2023 zur Umsetzung der WHO Sepsis Resolution auf nationaler und internationaler Ebene aufmerksam. Die Hybridveranstaltung findet am 12. September 2023 in Berlin und online statt und bietet zahlreiche interessante Vorträge zum Thema. Weitere Informationen dazu unter: www.worldsepsisday.org/wsd-event-2023.

Die Sepsis Stiftung und die Global Sepsis Alliance haben zu diesem Anlass außerdem die „Berliner Deklaration zur Sepsis“ veröffentlicht und fordern darin die dringende Durchsetzung der WHA-Resolution zur Sepsis und die Wiederbelebung globaler Maßnahmen gegen Sepsis. Die DGAI zählt neben dem World Health Summit, der Virchow Foundation for Global Health und der Global Antibiotic Research & Development Partnership zu den Erstunterzeichnern der Deklaration.

InfoKlick: www.dgai.de und www.bda.de

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