Am 20. Oktober lud die IHK zu Essen zu einem Dialogforum ein, um den betroffenen Unternehmen die Möglichkeit zum direkten Austausch mit der Politik zu geben (Foto: IHK zu Essen)
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Essen. Der Rat der Stadt Essen wird am 29. November eine Entscheidung zur zukünftigen Verkehrsführung auf der Rüttenscheider Straße sowie einigen Begleitmaßnahmen unter anderem zur Verbesserung der Park- und Anliefersituation treffen. Die anstehenden Entscheidungen haben zu Protest bei den Gewerbetreibenden in Rüttenscheid geführt. Die weitaus überwiegende Anzahl der Gewerbetreibenden, die sich zu der Thematik äußern, sprechen sich entschieden gegen weitere Eingriffe in die Verkehrsführung in Rüttenscheid aus.

Manche äußern diesbezüglich sogar Existenzängste. Vereinzelt gibt es auch Stimmen, die eine Verringerung des motorisierten Individualverkehrs zugunsten einer Steigerung des Fahrradanteils begrüßen würden. Die Industrie- und Handelskammer zu Essen, der DEHOGA Nordrhein und der Handelsverband NRW Ruhr nehmen dies zum Anlass, um den Entscheidungsträgern im Rat der Stadt Essen die hier vorliegende gemeinsame Stellungnahme zu übermitteln.

Grundsätzliches zu den geplanten Änderungen der Verkehrsführung

Die Pläne der Stadt Essen sind im Kontext eines 2019 mit der Deutschen Umwelthilfe erzielten Vergleichs zu bewerten. Zur Vermeidung weitgehender Eingriffe in den Straßenverkehr hat die Stadt in diesem Vergleich unter anderem der Einführung einer Fahrradstraße auf der Rüttenscheider Straße zugestimmt. Die Tatsache, dass die Rüttenscheider Straße mit ihren vielen Geschäften und Restaurants auch bei Kunden und Gästen sehr beliebt ist, die mit dem Auto anreisen, macht diesen Aspekt des Vergleichs sehr schwierig. Die auftretenden Konflikte zwischen einer Unternehmerschaft, die weiter auch mit dem PKW erreichbar bleiben will, und Radfahrerinnen und Radfahrern, die sich auf der RÜ nicht hinreichend priorisiert und geschützt fühlen, waren erwartbar. Und doch gilt es nun, auf Basis dieser Ausgangslage und drohender weitergehender Einschränkungen eine Lösung zu finden, die langfristig Bestand hat und möglichst allen Interessen gerecht wird.

Die für die Unternehmerschaft wichtige Voraussetzung, dass von einer vollständigen Sperrung der Rüttenscheider Straße für den motorisierten Individualverkehr abgesehen wird, ist durch die vorliegende Verwaltungsvorlage erfüllt. Dass die Vorlage zur Grundlage hat, dass alle Unternehmen auch zukünftig mit jedem Verkehrsmittel erreichbar bleiben sollen, halten wir für richtig und wichtig. Gleichzeitig geben wir allerdings zu bedenken, dass die Erreichbarkeit mit allen Verkehrsmitteln möglichst einfach, schnell und unkompliziert gehalten sein muss, wenn sie von Besucherinnen und Besuchern auch angenommen werden soll. Die Eindrücke aus dem Dialogforum Rüttenscheid, das am 20. Oktober in der IHK zu Essen stattgefunden hat, machen deutlich, dass die rechnergestützten Szenarien des Dortmunder Planungsbüros diesbezüglich mit dem von den Rüttenscheider Anliegern beobachteten Fahrverhalten vor Ort nicht unbedingt immer im Einklang stehen.

Begleitmaßnahmen zu Parkraum, Verkehrsleitsystem und Anliefersituation

Ergänzend zu einer geänderten Verkehrsführung sieht die Verwaltungsvorlage der Stadt Essen vor, die vorhandenen Parkmöglichkeiten rund um die Rüttenscheider Straße zu optimieren, die Schaffung zusätzlicher Parkmöglichkeiten zu prüfen, ein digitales Verkehrsleitsystem zu implementieren und Maßnahmen zur Verbesserung der Anliefersituation für Gewerbetreibende zu ergreifen.

Die vorgesehenen „Begleitmaßnahmen“ finden die volle Unterstützung von IHK, DEHOGA und Handelsverband. Die Umsetzung dieser Maßnahmen (nicht nur die Prüfung) kann jedoch keinesfalls erst nach der Änderung der Verkehrsführung erfolgen, sondern schon vorher. Vertrauen, Akzeptanz und Erfolgswahrscheinlichkeit des Gesamtvorhabens drohen andernfalls zu leiden. Die Verwaltungsvorlage formuliert zu den Begleitmaßnahmen bislang jedoch lediglich Planungs- und Prüfaufträge, während bezüglich der geänderten Verkehrsführung bereits ein Umsetzungsauftrag formuliert ist. Der dadurch entstehende zeitliche Verzug wurde von den Unternehmerinnen und Unternehmern im Rahmen des Dialogforums Rüttenscheid in Frage gestellt.

Monitoring von Kundenfrequenz und Umsatzentwicklung

In einem ursprünglichen Entwurf der Verwaltungsvorlage war ein Beirat vorgesehen, der nach Einführung der geplanten Änderungen über die Auswirkungen auf den Stadtteil beraten sollte. In der dieser Stellungnahme zu Grunde liegenden Vorlage ist von diesem Beirat nicht mehr die Rede.

IHK, DEHOGA und Handelsverband empfehlen dringend, dass ab Umsetzung der Änderungen der Verkehrsführung ein von einem Beirat begleitetes institutionalisiertes Monitoring erfolgt, das sich nicht nur mit Änderungen im Verkehrsfluss befasst, sondern auch die Kundenfrequenz und die Umsatzentwicklung der Rüttenscheider Gewerbetreibenden im Blick behält. Sollten sich die Befürchtungen der Gewerbetreibenden bewahrheiten, erwarten wir, dass die eingeleiteten Änderungen schnell angepasst und gegebenenfalls auch wieder rückgängig gemacht werden. IHK, DEHOGA und Handelsverband bieten gerne die Mitarbeit in einem solchen Beirat an. Wir würden es begrüßen, wenn darüber hinaus weitere Akteure, die bereits Teil des Verfahrens waren, zu einer Mitarbeit eingeladen würden.

Moratorium für die Rüttenscheider Straße

In einer Pressemeldung ist im Zusammenhang mit den geplanten Änderungen von einem „ersten konsequenten Schritt“ die Rede. Bewertungen wie diese schüren bei den Rüttenscheider Gewerbetreibenden die Sorge, dass nach und nach immer weitere Einschränkungen bis hin zu einem Ausschluss des motorisierten Individualverkehrs von der Rüttenscheider Straße erfolgen könnten.

IHK, DEHOGA und Handelsverband formulieren die Erwartungshaltung an den Stadtrat, dass in absehbarer Zukunft keine weiteren Änderungspläne Unruhe in die Rüttenscheider Unternehmerschaft bringen. Eine „Salami-Taktik“ würde das Vertrauen der Unternehmerschaft in die Essener Kommunalpolitik nachhaltig schädigen.

Einbeziehung der betroffenen Unternehmerschaft

Die Debatte rund um die anstehenden Veränderungen ist auf allen Seiten von einem hohen Grad an Emotionalität und Verunsicherung geprägt. Ein Grund hierfür ist nach Ansicht von IHK, DEHOGA und Handelsverband eine bislang mangelhafte Kommunikation in Richtung der betroffenen Gewerbetreibenden. Die Unternehmerinnen und Unternehmer wurden nicht zu Beteiligten im Prozess gemacht. Die Stadt lädt die Anrainer lediglich zu einer „Informationsveranstaltung“ ein und will Fragen beantworten, statt in einen Diskussionsprozess einzusteigen. Die unzureichende Beteiligung führt bei vielen Gewerbetreibenden zu einer aus unserer Sicht nachvollziehbaren und vermeidbaren Abwehrhaltung gegenüber jeder geplanten Maßnahme zur vermeintlichen Verbesserung der Rüttenscheider Verkehrssituation.

Sollten Entscheidungen im Ausmaß der Verwaltungsvorlage getroffen werden, empfehlen wir deshalb dringend eine durchdachte kommunikative Begleitung zu den anstehenden Änderungen in Richtung der Rüttenscheider Unternehmerschaft. Ebenso sollte eine professionelle Aufklärungskampagne für auswärtige Kunden und Gäste aufgesetzt werden, die für die Gewerbetreibenden in Rüttenscheid von entscheidender Bedeutung sind. Zur Kommunikationsstrategie sollten auch Informationen über das korrekte Verhalten von Verkehrsteilnehmern auf einer Fahrradstraße und eine Aufforderung zur gegenseitigen Rücksichtnahme gehören.

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