Sie stellten das aktuelle Risikobarometer vor (v.l.): Chris Proios (Initiative Konjunkturforschung Regional), Jürgen Steinmetz (Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein), André Becker (Mitglied der Geschäftsleitung Creditreform Düsseldorf/Neuss) und Gregor Werkle (Leiter des Bereichs Wirtschaftspolitik der IHK Mittlerer Niederrhein) (Foto: IHK)
Anzeige

Krefeld/Kreis Viersen/Mönchengladbach/Rhein-Kreis Neuss. Die wirtschaftlich angespannte Lage führt zu mehr Unternehmens- und Zahlungsausfällen in der Region – das zeigt das aktuelle Risikobarometer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein und der Creditreform Düsseldorf/Neuss. „Auch in Krefeld, Kreis Viersen, Mönchengladbach und dem Rhein-Kreis Neuss sind die Ausfallraten angestiegen“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz. „Für das kommende Jahr gehen wir von einer weiteren Steigerung aus.“ André Becker, Mitglied der Geschäftsleitung Creditreform Düsseldorf/Neuss, ergänzt: „Zudem ist der durchschnittliche Zahlungsverzug der Unternehmen zuletzt deutlich gestiegen und mittlerweile spürbar höher als im Jahr 2019.“

Für die Wirtschaft geht nun das vierte schwierige Jahr in Folge zu Ende. Nach zunächst zweieinhalb Pandemie-Jahren und fast zwei Jahren, in denen sich die höheren Energiepreise und die Inflation bemerkbar gemacht haben, ist die Lage in vielen Betrieben 2023 angespannter als ein Jahr zuvor. „Mit Stichtag 30. Juni verzeichnen wir in Krefeld, Kreis Viersen, Mönchengladbach und dem Rhein-Kreis Neuss eine höhere Ausfallrate als im Jahr 2022“, so Becker. In Krefeld liegt die Ausfallrate bei 1,60 Prozent, Kreis Viersen bei 1,31, Mönchengladbach bei 2,00 und dem Rhein-Kreis Neuss bei 1,51 Prozent. Zum Vergleich: Der entsprechende Wert für Nordrhein-Westfalen liegt bei 1,49 und für Deutschland bei 1,34 Prozent. 2022 lag die Ausfallrate in Krefeld noch bei 1,50 Prozent, im Kreis Viersen bei 1,14, Mönchengladbach bei 1,61 und dem Rhein-Kreis Neuss bei 1,24.

Für Steinmetz bestätigen die Zahlen seine Befürchtungen: „Vier schwierige Jahre hintereinander sind gerade für kleine Betriebe zu viel. Deswegen hätte ich mir gewünscht, dass die Stromsteuer für alle Branchen abgesenkt wird und nicht nur für die Industrie. Das hätte auf breiter Front entlastet“, erklärt Steinmetz. Dass die Finanzlage schwierig bleibt, zeigt auch eine aktuelle Umfrage der IHK zur Finanzlage der Unternehmen. Bei der Befragung im Herbst 2023 hat sich der Anteil der Unternehmen, die eine unauffällige Finanzlage melden, im Vergleich zum Jahr 2022 zwar etwas erhöht, bleibt aber deutlich unter dem Wert von vor zwei Jahren. Dieser Anteil liegt nun bei 62 Prozent (nach zuvor 58 Prozent). 2021 lag der Wert noch bei über 70 Prozent.

Chris Proios von der Initiative Konjunkturforschung Regional weist auf die Unterschiede in den Branchen hin. „In der Region hat das Verkehrsgewerbe weiterhin die höchste Ausfallquote. Die Unternehmen sind von weiterhin hohen Kraftstoffpreisen und einem starken Fahrermangel betroffen. Zudem hat die Branche per se mit geringen Gewinnmargen zu kämpfen, sodass auch die Rücklagen meist nicht besonders hoch sind.“ In Krefeld sind insbesondere die Ausfallraten der Gastronomie und des Bereichs Information und Kommunikation besonders hoch. Darüber hinaus weist insbesondere das Gastgewerbe im Kreis Viersen eine deutlich höhere Ausfallrate als die Gesamtwirtschaft aus. Die Ausfallrate der Verkehrsdienstleister sei in Mönchengladbach mit einem Wert von 4,02 Prozent und im Rhein-Kreis mit einem Wert von 3,6 Prozent deutlich höher als im Bund und in der Region Mittlerer Niederrhein im Durchschnitt. Die Ausfallrate in der Industrie ist ebenfalls im Jahresverlauf angestiegen, bleibt aber deutlich unter der Ausfallrate der kritischsten Branchen. „Bei Industrieunternehmen – gerade der Großindustrie – ist die Gefahr einer kompletten Insolvenz häufig geringer“, relativiert Steinmetz diese Daten. „Die entscheidende Frage ist eher, an welchen Standorten schwerpunktmäßig investiert wird. Bei der energieintensiven Industrie sind das zurzeit nicht die deutschen Standorte.“

Der Anteil der ausgefallenen Unternehmen am Mittleren Niederrhein ist insbesondere in den beiden Größenklassen der Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis 500.000 Euro und mit 500.000 bis 1 Million Euro Umsatz mit jeweils 1,6 Prozent im Vergleich zum Bund überdurchschnittlich hoch. Der Bundesschnitt liegt jeweils bei 1,4 Prozent. Bei den weiteren Größenklassen sinken die Ausfallraten mit zunehmender Unternehmensgröße. Die Abstände bei der Ausfallrate zwischen dem Mittleren Niederrhein und Deutschland werden bei jeder Umsatzklasse etwas kleiner. Bei den Großunternehmen (Umsatz > 5 Millionen Euro) sind die Werte am Mittleren Niederrhein ähnlich hoch wie in Deutschland.

Ähnlich kritisch wie der Blick auf die gestiegenen Ausfallraten fällt der Blick auf das Zahlungsverhalten aus. „Die Dauer des Zahlungsverzugs ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen – das gilt insbesondere für das vergangene Jahr“, so Proios. In Krefeld lag der durchschnittliche Zahlungsverzug zuletzt bei 18,69 Tagen, damit immerhin einen Tag höher als in der Gesamtregion im Schnitt (Kreis Viersen lag der durchschnittliche Zahlungsverzug zuletzt bei 18 Tagen, damit 25 Prozent über dem Wert von 2019, Mönchengladbach zuletzt bei 17,77 Tagen = gut 18 Prozent über 2019 und Rhein-Kreis Neuss war der durchschnittliche Zahlungsverzug zuletzt bei 16,41 Tagen, damit immerhin einen Tag niedriger als in der Gesamtregion im Schnitt.)

Nach derzeitigem Stand der Daten von Creditreform dürfte sich die Entwicklung der Ausfallraten in Krefeld, Kreis Viersen, Mönchengladbach und dem Rhein-Kreis Neuss im kommenden Jahr verschlechtern: „Die Creditreform-Prognosedaten zeigen, dass wir von einem weiteren Anstieg der Ausfälle ausgehen müssen“, erklärt Becker. „Für den Standort Krefeld gehen die Rechenmodelle zurzeit von einer Ausfallrate von 1,78 aus (Kreis Viersen 1,76, Mönchengladbach 1,89 und dem Rhein-Kreis Neuss 2,11).“ Das wäre erneut ein Anstieg. „Unser aktueller Konjunkturbericht hat gezeigt, dass die Unternehmen weiterhin pessimistisch sind – neben geopolitischen Krisen sehen die Unternehmen im langfristigen Energieangebot und in der überbordenden Bürokratie kurzfristig Geschäftsrisiken. Bei diesen strukturellen Problemen muss die Bundesregierung ansetzen, will sie eine weitere Erhöhung der Ausfallraten verhindern“, fordert Steinmetz.

Beitrag drucken
Anzeige