Anzeigen

Krefeld. Von den römischen Kastellen, die zwischen dem Jahr 71 und dem fünften Jahrhundert nach Christus in Krefeld-Gellep errichtet wurden, finden sich heute an der Oberfläche keine Spuren mehr. Zumindest in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts müssen noch Reste sichtbar gewesen sein. In seinem Buch „Rhenus“ (um 1570) schrieb Bernardus Mollerus „Sieh, in traurigen Ruinen birgt sich das arme Gelduba“. Wie an anderen Orten am Niederrhein so wurde auch die Festungsanlage in Gelduba im Mittelalter und der Frühen Neuzeit als Steinbruch für neue Gebäude genutzt. Diese Form des Recyclings betrieben die Römer bereits selbst, in dem sie Spolien verwendeten, um sie als Fundamentstickung oder für das Mauerwerk wieder zu gebrauchen.

Im Hof des Archäologischen Museums Krefeld steht ein fast 2000 Jahre alter römischer Reliefblock, der vor 30 Jahren während einer Grabung als Fundament für einen Turm (um 306 bis 308) des spätantiken Kastells gefunden wurde. An zwei Seiten trägt er Reliefs, die wesentliche Anhaltspunkte darüber geben, an welcher Stelle der Stein in einem Grabmonument verbaut war und welche Ausmaße dieses Monument hatte. Dabei kommen vier Varianten in Frage: „Selbst in der Ausführung mit einem niedrigen Sockelmaß besaß das Monument mindestens eine Höhe von 7,50 Meter, eher ist jedoch von etwa neun oder sogar elf Meter Höhe auszugehen“, so die Archäologin Dr. Annette Schieck.

Außerdem lässt die Ausführung der Reliefs darauf schließen, dass das römische Pfeilergrabmal im frühen ersten Jahrhundert nach Christus entstanden ist. An der Vorderseite des Steins, die auch die Vorderseite des Monumentes war, ist unter anderem die linke Schulterpartie eines Mannes zu erkennen: Erhalten ist er ab der Brust. Vom Gesicht ist ebenfalls nur die linke Wange vorhanden, die glatt rasiert ist, sowie das Ohr und der Haaransatz einer Kurzhaarfrisur. „Bemerkenswert ist die Gestaltung des Ohres, henkelförmig und unorganisch, wirkt es wie nach vorne geklappt. Darin entspricht es Darstellungen auf römischen Grabreliefs der ersten Jahrzehnte des ersten Jahrhunderts nach Christus“, sagt Dr. Annette Schieck. Die Archäologin hat sich nun erstmals intensiv mit dem Reliefblock beschäftigt. Der dargestellte Mann ist mit einer Tunika und einer Toga bekleidet, welche ihn als römischen Bürger kennzeichnen. Die Tragweise der Toga wurde vor allem von Personen griechisch geprägter Herkunft mit erworbener römischer Staatsbürgerschaft bevorzugt. „Somit lässt sich annehmen, dass der Grabinhaber mit dem römischen Militär in die Rheinregion gekommen ist, sich nach Ablauf seiner Dienstzeit niedergelassen hat und zu Wohlstand gekommen ist“, so Schieck. Er wählte für sein Gedenken ein Bauwerk, bei dem es sich nicht um ein einzigartiges Monument handelt, sondern um einen Typ, der in einer gewissen Variationsbreite mehrfach im Rheinland, insbesondere in Köln und vielleicht auch in Gellep, errichtet wurde.

Enge Parallelen zu dem Gelleper Block finden sich vor allem in Köln. Besonders zu nennen ist das Grabmal des Poblicius im Römisch-Germanischen Museum in Köln, das fast 15 Meter hoch ist und in der Zeit von 42 bis 50 nach Christus errichtet wurde. Zudem lassen sich Prinzipien über die Bauweise aus dem Buch „Über die Baukunst“ von Marcus Vitruvius Pollio, einem Architekt des ersten Jahrhunderts, ableiten. Der Bau mit dem Gelleper Reliefblock wirkte wegen der Größe imposant und stand vermutlich an einer größeren Ausfallstraße. „Ob sich sein Standort jedoch in oder bei Gelduba befunden hat, oder möglicherweise in Köln, muss derzeit unbeantwortet bleiben“, so Schieck.

Am Reliefblock im Hof des Archäologischen Museums Krefeld soll bald eine Tafel mit Variationen eines möglichen Grabmales installiert werden. Der ausführliche Bericht von Dr. Annette Schieck findet sich in „Beiträge zur Archäologie des Niederrheins und Westfalens. Festschrift für Christoph Reichmann zum 65. Geburtstag“ (2015). Das Buch kostet 25 Euro und ist im Museumsshop erhältlich.

Beitrag drucken
Anzeige