v.l. Manfred Osenger, Bürgermeister der Stadt Duisburg, Christiane Nierhaus-Koose, Einrichtungsleitung der Helios Seniorenresidenz St. Vincenz, Betreuerin Maria Miggel, und Rozica Matkovic, Wohnbereichsleitung Helios Seniorenresidenz St. Vincenz, gratulieren Hedwig Wickert (vorne) zum 110. Geburtstag (Foto: Helios)
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Duisburg. Die stahlblauen Augen von Hedwig Wickert haben viel gesehen. Geboren am 17. Juli 1909 ist sie Zeitzeugin des deutschen Kaiserreichs, vom Untergang der Titanic und hat zwei Weltkriege erlebt. Was Sie alles berichten könnte … Könnte, denn die Konversation ist ein wenig eingeschränkt – die Ohren. Leider hat Wickert sich schon vor Jahren gegen das Tragen von Hörgeräten entschieden. „Sie ist keine Freundin des technischen Fortschritts. Ich erinnere mich daran, dass sie ihre alte Triumph-Schreibmaschine gegen eine elektrische eintauschen sollte und sich mit Händen und Füßen gewehrt hat“, berichtet Rolf Würg, der 1975 die Nachfolge von Hedwig Wickert an der heutigen Helios Marien Klinik antrat und einige Monate von ihr in die Buchhaltung eingearbeitet wurde. „Sogar die Chefärzte standen Stramm vor ihr, sie kannte ja deren Gehälter“, schmunzelt Würg. Trotz 40 Dienstjahren in der Verwaltung des Marien war für die damals 65-Jährige noch lange nicht Schluss: Zwei Jahre lang arbeitete sie als Sekretärin des neuen Geschäftsführers, weitere acht Jahre bearbeitete sie Akten, die Kollegen ihr nach Hause brachten, denn praktischerweise war ihre Anschrift schon von Kindesbeinen an dieselbe wie die der Marien Klinik: Grunewaldstraße.

Hier lebte sie Jahrzehnte lang mit ihrer Schwester in klarer Rollenverteilung zusammen: Hedwig verdiente das Geld, ihre Schwester kochte und führte den Haushalt. Und als ihre Schwester in den 90ern starb, ging Wickert in Ermangelung eigener Kochkünste täglich in der Cafeteria der Marien Klinik essen. Erst 2009, mit 100 Jahren, entschied sie sich nach einem Sturz im Garten, ins heutige Helios Seniorenzentrum St. Vincenz zu ziehen. Auch von einer Hüft-OP ließ sie sich nicht unterkriegen. Es war der 1. Juli 2011 und Prinz Albert II. von Monaco heiratete. „Mach den Fernseher an, das will ich sehen“, sagte sie, gerade erst aus dem Aufwachraum zurück. Und auch die Liebesromane von Nicholas Sparks verschlingt sie förmlich und liest jeden dreimal – mit ihren stahlblauen Augen, die auch mit 110 Jahren noch immer keine Brille brauchen. Selber war sie nie verheiratet. „Vielleicht ist das ein Geheimnis ihres hohen Alters, denn sie musste sich nie um einen Mann oder Kinder sorgen“, vermutet Betreuerin Maria Miggel, selbst 84, die in der Nachbarschaft aufwuchs und deren Mutter eine Freundin von Hedwig Wickerts Schwester war.

Ende 2020 soll das Seniorenzentrum St. Vincenz, dann unter Trägerschaft des DRK, einen Neubau beziehen. Dieser soll, und damit schließt sich der Kreis, auf einer Freifläche neben der Marien Klinik an der Grunewaldstraße errichtet werden. Auf dem Areal hat Wickert als Kind, vor über 100 Jahren gespielt. Wir drücken die Daumen, dass sie hier auch ihren 112. Geburtstag feiern kann.

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