Der Vogel direkt nach der Bergung und bei der Auswilderung (Foto: Stadt Grevenbroich)
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Grevenbroich. “Eine Geschichte über einen jungen Uhu” von Norbert Wolf, Städtisches Umweltzentrum Schneckenhaus

Sonntagnachts 23.30 Uhr, das Telefon klingelt, die Werksfeuerwehr des RWE-Frimmersdorf bittet um Hilfe bezüglich einer Eule, der es „nicht gut“ gehe. Da Telefondiagnosen in solchen Fällen nahezu unmöglich sind, entschlossen wir uns, vor Ort nach dem Rechten zu schauen. Wir trafen uns mit den dortigen Mitarbeitern und fuhren in dem weitläufigen Gelände im Gewirr von Rohrleitungen, Treppen und Kabelsträngen den Fundort an. Dort fanden wir Karlchen ziemlich griesgrämig unter einer Treppe sitzend vor, es handelte sich um einen nur wenige Wochen alten Junguhu. Nachdem wir am Fundort eine halbverdaute, ausgewürgte Ratte gefunden hatten und eine Vergiftung nicht auszuschließen war entschlossen wir uns, den Vogel zunächst zur Beobachtung zu bergen. Zu Hause etwas zur Ruhe gekommen zeigte der Vogel keine Ausfallerscheinungen, er wurde dunkel untergebracht und mit Futter in seiner Box versorgt. Gespannt schauten wir am nächsten Morgen nach, alle angebotenen Ratten und Mäuse waren aufgefressen. Jetzt hieß es noch sicherheitshalber die Gewölleproduktion abzuwarten, nachdem auch dieses unauffällig und gesund aussah entschlossen wir uns, den Jungvogel in Brutplatznähe auf das Dach oberhalb des Fundortes zurückzuführen. Dies ist bei Vögeln problemlos möglich, sie werden von den Altvögeln sehr schnell wieder angenommen. Die Rückführung auf das Dach übernahmen hier die sehr engagierten Mitarbeiter des RWE, die dann auch am nächsten Tag erfreut mitteilten, dass der Junguhu wohl den Neststandort wiedergefunden habe und dort an einer großen Beute fressend säße.

Das wiederum verwirrte uns etwas, junge Uhus in diesem Alter zerteilen große Beute noch nicht selbständig, so dass ein Foto der Situation erbeten wurde. Auf dem übersandten Foto war nun eindeutig zu erkennen, der Jungvogel saß neben einem toten Altvogel und versuchte ziemlich offensichtlich, diesen um Futter anzubetteln.

So konnte das nicht bleiben, Karlchen sollte nicht verhungern, schließlich handelt es sich in hiesiger Gegend um eine seltene und auch bundesweit um eine streng geschützte Art. Also musste der Uhu wieder runter vom Dach und aufgezogen werden. Nach einer Vielzahl an Telefonaten mit Behörden und befreundeten Greifvogel- und Eulenspezialisten erklärte sich unser Freund Martin Hagemann von der Falknerei vom Löwenbrunnen spontan bereit, sich um den Junguhu zu kümmern. Martin hält selbst in seiner Falknerei ein Uhu-Weibchen namens Gretel, das zu diesem Zeitpunkt zwei Jungvögel aufzog, sodass wir Gretel unseren Jungvogel zur Ammenaufzucht beisetzten. Das klappte hervorragend und hat natürlich den entscheidenden Vorteil, dass der Jungvogel nicht zahm wird und der Ammenvogel dem Jungtier alle arteigenen Verhaltensweisen beibringt, die man als Junguhu im Leben eben so braucht. Nach wochenlanger, fürsorglicher Pflege durch Gretel unter Martins Aufsicht war jetzt der Zeitpunkt der Freilassung gekommen, aus Karlchen war ein gesunder, kräftiger und wunderschöner, wildbahnfähiger Uhu geworden, den wir dann in der letzten Woche erfolgreich in unmittelbarer Nähe seines Geburtsortes wieder freilassen konnten.

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