Eindrücke von der Stadtteilkonferenz (Foto: Stadt Oberhausen/Tom Thöne)
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Oberhausen. Oberhausen-Sterkrade soll zum „Klima.Quartier“ mit Modellcharakter werden: Bis Ende 2028 wird die Fußgängerzone grüner, schattiger und mit einem Band aus Wasser verschönert. Über das Großvorhaben informierte die Stadt Oberhausen gemeinsam mit der Emschergenossenschaft, der Zukunftsinitiative Klima.Werk und der Emscher Wassertechnik GmbH am Montag, 4. September 2023, über 200 Interessierte bei einer Stadtteilkonferenz in der St. Bernardus-Kapelle. „Durch ein Bündel von Maßnahmen bereiten wir die Bahnhofstraße als Lebensader des Stadtteils aktiv auf den Klimawandel vor und machen sie fit für die Zukunft“, sagte Dr. Thomas Palotz, Dezernent für Stadtplanung, Bauen, Mobilität und Umwelt der Stadt Oberhausen. Er führte weiter aus: „Durch den blau-grünen Wandel entsteht eine Innenstadt, die gegen Hitze, Trockenheit und Starkregen gewappnet ist – und so zu einem lebenswerten Ort für uns alle wird.“

Wie kommuniziert man einen mehrjährigen Umbau einer Innenstadt, in der Menschen leben und arbeiten, in der beliefert wird, in der Laufkundschaft vorbei schlendert, in der Auslagen in der Fußgängerzone stehen und Krankentransporte vor Ärzten und Sanitätshäusern halten? Indem man sagt, wie es ist: Der Umbau wird herausfordernd, aber ist rechtlich notwendig, klimatechnisch unumgänglich – und hinterher profitieren alle davon. „Zunächst einmal sind wir zu dieser Maßnahme einfach gesetzlich verpflichtet, aber es ist auch eine riesige Chance für Sterkrade“, sagte Dr. Palotz. Er warb um Verständnis und versprach: „Die Sterkrader Fronleichnamskirmes findet auch während und nach dem Umbau in Sterkrade statt.“

Drei Projekte unter einem Dach

Der blau-grüne Wandel der Sterkrader Innenstadt umfasst drei große Projekte: den Bau eines neuen Reinwasserkanals unter der Sterkrader Innenstadt sowie die Erneuerung und klimagerechte Umgestaltung der Bahnhofstraße, darunter eine Fülle von Maßnahmen wie die Entsiegelung von Flächen, das Pflanzen neuer Bäume oder das Auffangen und Versickern von Regenwasser. Bis Ende 2027 müssen die Kanalbauarbeiten abgeschlossen sein, bis Ende 2028 soll auch die neue Bahnhofstraße fertiggestellt sein, erklärte Dr. Randolf Coburg, Geschäftsführer der Emscher Wassertechnik GmbH, die das Gesamtprojekt im Auftrag der Partner steuern wird.

Mehrwert durch Bündelung von Projekten

Dass die Teilprojekte gemeinsam geplant und aufeinander abgestimmt sind, schaffe einen wesentlichen Mehrwert: „Wir haben hier den besten Plan für diesen Ort und unser gemeinsames Ziel sollte nun eine erfolgreiche und reibungslose Umsetzung sein“, sagte Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft und Lippeverband (EGLV). So profitiert das Gesamtprojekt ganz wesentlich von einem Fördertopf in Höhe von einer viertel Milliarde Euro, den das Land NRW für den klimaresilienten Umbau der Städte zur Verfügung stellt.

Den Klimawandel verstehen

Warum der Klimawandel zum Handeln herausfordert, erläuterte Dr. Nicole Kauke vom Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz NRW: Hitzeperioden wechseln sich ab mit Starkregenphasen, in Innenstädten kommt es zu Tropennächten, in vielen Gebieten mehrmals jährlich zu Überschwemmungen, weil Kanalsysteme überlastet, Flächen zur Versickerung rar und natürliche Wasserspeicher so gut wie nicht mehr vorhanden sind. „Eine Anpassung unserer Städte an den Klimawandel ist notwendig – und letztendlich auch besser, als immer wiederkehrende Schäden immer wieder zu beheben“, so Dr. Kauke.

Sterkrade wird klimafit

Das gilt besonders für die hochversiegelte Sterkrader Fußgängerzone. „Die Temperatur in der Innenstadt ist im Schnitt 8 bis 10 Grad höher als im grünen Umland“, erklärte Markus Werntgen-Orman, Bereichsleiter Umwelt Stadt Oberhausen, in seinem Vortrag „Grün, blau, WOW! Sterkrade wird schöner und fit für den Klimawandel“. Durch die geplanten Maßnahmen werden die Aufenthaltsqualität und natürlich auch das Stadtbild der Sterkrader Innenstadt immens erhöht, das Mikroklima besser, der Aufenthalt gesünder, so der Projektleiter des Klima.Quartiers Oberhausen-Sterkrade.

Kommunikationsprozesse ohne Filter

Da die Baumaßnahmen Einschränkungen für Nutzerinnen und Nutzer unumgänglich machen, steht transparente Kommunikation auf Augenhöhe mit den Bürgerinnen und Bürgern ganz oben auf der Agenda: Im gesamten Prozess soll die Sterkrader Bevölkerung möglichst direkt informiert und beteiligt werden, versprach Christoph Hülsebusch. Der Bereichsleiter Stadtplanung der Stadt Oberhausen wünscht sich einen Kommunikationsprozess ohne „Filter“, aber mit vielen Angeboten – von Newsletter, Webseite und Social-Media bis hin zu Stadtspaziergängen, einem Info-Lokal und einzelnen Themenabenden für die verschiedenen Zielgruppen wie Einzelhandel oder Immobilienbesitzende.

Ein neuer Kanal unter der Bahnhofstraße

Projektleiter Markus Pohl von der Emschergenossenschaft erklärte die Notwendigkeit des umfangreichen Kanalbaus: Aufgrund der europäischen Wasserrahmenrichtlinie müssen alle Oberflächengewässer bis spätestens 2027 in einen „ökologisch guten Zustand“ überführt werden. Für Sterkrade ist wesentlicher Bestandteil, dass Alsbach, Reinersbach und Elpenbach aus dem Mischwassernetz herausgehalten und zum Hauptkanal Sterkrade übergeleitet werden. Für den Elpenbach wird ein eigener Kanal geschaffen, der unter der Bahnhof- und Holtkampstraße verlegt wird.

Im Dialog auf Augenhöhe

Das Publikum ging dann ohne Hemmschwelle in den direkten Austausch an „Infoinseln“ zu den Experten und Expertinnen. Manchmal kritisch, meistens interessiert erfolgten die Gespräche zur künftigen Erreichbarkeit der innerstädtischen Ladenlokale, zu den geplanten Baumpflanzungen und individuellen Anliegen. Nach einem einstündigen, regen Austausch fanden sich alle noch einmal im sakralen Teil des Veranstaltungsorts ein: Sehr kurz und bündig informierte Andreas Giga als Leiter der Zukunftsinitiative Klima.Werk über konkrete Mitwirkungsmöglichkeiten: „Deutschland ist bekannterweise das Land der Zuständigkeiten: Für Steuern ist das Finanzamt zuständig, bei Feuer die Feuerwehr – leider ist es beim Klimawandel anders: Hier sind wir alle zusammen und jeder für sich zuständig“, so Giga. Für eine Schwammstadt werden viel versickerungsfähige Fläche und Speichermöglichkeiten benötigt. Mit Baumrigolen könne das Wasser um die Wurzeln herum in speziellen Substraten gespeichert und im Bedarfsfall wieder abgegeben werden. Der Mehrwert ist für alle spürbar: Kühleres Mikroklima bei Hitze, effiziente Regenwassernutzung, höhere Lebensqualität durch gesundes Stadtklima, stärkere Biodiversität.

Und wer bezahlt´s?

Wichtig für die Bürgerinnen und Bürger: Die Kosten für den grün-blauen Wandel fallen nicht auf sie selbst zurück – denn für Stadterneuerung und den klimaresilienten Umbau hat die Stadt Oberhausen mehr als 20 Millionen Euro an Fördergeldern beantragt. Und für alle, die aus Eigeninitiative ihr Dach begrünen oder Regenwasser abkoppeln wollen, gibt es unkompliziert zu beantragende Fördermittel, zu denen, wenn es losgehen kann, eine gesonderte Veranstaltung geplant ist. Die meisten Gesichter der Gäste schienen beim Abschied zufrieden zu sein – was sicher nicht an der Currywurst zum Abschluss lag.

 

HINTERGRUND

Blau-grüner Wandel in Oberhausen-Sterkrade

Der blau-grüne Wandel in Oberhausen-Sterkrade wird ein Modellprojekt für die klimaresiliente, wasserbewusste Stadtentwicklung im Ruhrgebiet. Hinter den Maßnahmen für Klimaresilienz, Stadterneuerung und Kanalbau stehen die vier folgenden Projektpartner: die Stadt Oberhausen, die Emschergenossenschaft sowie die Stadt Oberhausen als Teil der Zukunftsinitiative Klima.Werk und die Emscher Wassertechnik GmbH.

Die Zukunftsinitiative Klima.Werk

In der Zukunftsinitiative Klima.Werk arbeiten Emschergenossenschaft und Emscher-Kommunen zusammen an einer wasserbewussten Stadt- und Raumentwicklung, um die Folgen des Klimawandels abzumildern und die Lebensqualität in den Quartieren zu steigern. Der blau-grüne Umbau startete 2005 mit der Zukunftsvereinbarung Regenwasser (ZVR) und entwickelte sich 2014 zur Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ weiter, jetzt Zukunftsinitiative Klima.Werk.

Unter dem Dach des Klima.Werks wird das Ruhrkonferenz-Projekt „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ des Landes Nordrhein-Westfalen umgesetzt, an dem sich seit 2020 alle Wasserverbände der Region beteiligen. Die Förderkulisse des Projekts umfasst das Gebiet des Regionalverbandes Ruhr (53 Städte und Gemeinden). In den klimafesten Wandel sollen bis 2030 rund 250 Millionen Euro investiert und in ausgewiesenen Gebieten 25 Prozent der befestigten Flächen abgekoppelt und die Verdunstungsrate um 10 Prozentpunkte gesteigert werden. Die Serviceorganisation der Zukunftsinitiative bei der Emschergenossenschaft setzt mit den Städten die Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung um.

Weitere Informationen (auch zu Förderung von Projekten) auf www.klima-werk.de

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