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Mülheim. Es sei an der Zeit, etwas zurückzugeben, meinte Ayadurai Ragunathan und schrieb dem Flüchtlingsreferat des Kirchenkreises einen Scheck über 1500 Euro aus. Mit seinem Übersetzungsbüro an der Limburgstraße feierte er nun das 30-jährige Bestehen seines Betriebes, für Ayadurai Ragunathan ein Anlass, um dankbar zurückzublicken.

1980 war der heute 60-Jährige Ragunathan mit einer Gruppe von 17 Tamilen vor dem Bürgerkrieg in seiner Heimat Sri Lanka geflohen. Das Ankommen in der neuen Gesellschaft funktionierte nicht gleich von selbst, aber „man hat mir eine Leiter hingestellt und ich konnte Stufe um Stufe hinaufsteigen“, erinnert er sich. Zu denen, die den Flüchtlingen, damals in der Sellerbeckstraße untergebracht, beim Ankommen halfen, gehörte Pfarrer Kampmann aus der Markuskirchengemeinde. Er sprang ein, als die neu zugezogenen Tamilen ohne Kohle zum Heizen dastanden, nachdem ein Nachbar statt eines Eimers gleich den ganzen Vorrat „geliehen“ hatte. „So bekamen wir einen Kontakt zur Kirche“, erinnert sich Ragunathan. „Und dabei war es ganz egal, dass ich Hindu war. Niemand wollte mich zum Christen bekehren.“

„Ein großer Schritt auf der Leiter für mich“, sagt Ragunathan, „war der Schweißer-Schein.“ Er wollte Geld verdienen, konnte schon schweißen, doch es fehlte die passende deutsche Legitimation. Der damalige Superintendent Leßmann half mit einem Kredit für das Zertifikat. „Unbedingt die Sprache lernen“, rät der Inhaber des Übersetzungsbüros allen, die heute neu in Deutschland ankommen. Mit dem eigenen Deutschkurs war es für den tamilischen Neuankömmling nicht ganz so einfach. Der angebotene VHS-Kurs war mangels Geld für die Busfahrkarte unerreichbar, aber Hans-Martin Milk, damaliger Flüchtlingsreferent des Kirchenkreises, organisierte Privatunterricht bei einigen Abiturienten der Luisenschule.

„Man muss sich überhaupt mehr gegenseitig helfen“, für den Unternehmer Ragunathan ist das heute Teil der Betriebsphilosophie. „Ellbogenmentalität bringt uns nicht weiter.“ In seiner täglichen Arbeit hat Ragunathan oft mit Zugewanderten zu tun. Übersetzungsarbeit und Alltagshilfe gehen nicht selten Hand in Hand. „Da geht es zum Beispiel darum, Formulare auszufüllen für eine Existenzgründung. Aber beim reinen Ausfüllen bleibt es nicht, denn es gibt kaum einen Gründerberater, der auch tamilisch spricht“, berichtet Ragunathan. Mit seinen zwölf Angestellten und 58 freiberuflichen Übersetzern und Dolmetschern bietet er heute Dienste in allen Sprachen der Welt an. Der zugewanderte Styrumer findet Übersetzer, selbst für Sprachen wie Khmer, das auf Kambodscha gesprochen wird, oder Tigrinya, zurzeit wegen der Flüchtlinge aus Eritrea sehr begehrt. „Manchmal habe ich ausländische Kulturvereine besucht und dort nach Leuten gefragt“, beschreibt Ragunathan seine Netzwerkarbeit.

Ragunathan fühlt sich nach 36 Jahren in Mülheim „als Deutscher durch und durch – das merke ich zum Beispiel, wenn ich Verwandte in Kanada besuche.“ Von dort könnten die Deutschen etwas lernen: „In Kanada wird viel stärker das Potenzial eines jeden einzelnen Zuwanderers gesehen. Auch die Flüchtlinge dürfen sich nicht allein auf die deutsche Sozialhilfe verlassen“, findet er. „Viele Leute, die hierher kommen, können etwas. Sie könnten gut einen Handwerksberuf lernen oder als Franchisenehmer in ein Unternehmen einsteigen.“ Dass das nicht immer von alleine funktioniert, hat Ayadurai Ragunathan selbst erlebt. „Man braucht immer wieder jemanden, der einem eine Leiter hinhält.“

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