Meerbusch/Dormagen. In einem eindringlichen Brandbrief zur finanziellen Notlage der Städte und Gemeinden haben sich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der 396 Mitgliedskommunen des Städte- und Gemeindebundes NRW an Ministerpräsident Hendrik Wüst gewandt. Auch Meerbuschs Bürgermeister Christian Bommers und sein Dormagener Kollege, Bürgermeister Erik Lierenfeld, haben die Eingabe unterzeichnet. „Wir sind an einem kritischen Punkt angekommen, die Belastungsgrenze ist erreicht, vielerorts gar überschritten“, so Bommers. „Es wird höchste Zeit, dass Bund und Land die Finanzierung der Städte und Gemeinden auf neue Beine stellt. Ohne eine aufgabenangemessene Finanzausstattung können die Kommunen die vielen Aufgaben nicht mehr bewältigen. Die Kommunen, so wie wir sie kennen, stehen unmittelbar vor dem Kollaps“, erklärt Lierenfeld.
„Die gegenwärtige Situation der kommunalen Haushalte ist geprägt von einer beispiellosen Kumulation von Herausforderungen“, heißt es in dem Schreiben an Wüst. „Das krisengetriebene Zusammenwirken von stagnierenden Steuereinnahmen und Zuweisungskürzungen, stark steigenden Kosten für Sachaufwendungen und Personal sowie stetig neue Erwartungen an Leistungen der Daseinsvorsorge überfordert die kreisangehörigen Selbstverwaltungsträger.“ Bund und Land seien nun dringend gefordert, Schaden von der kommunalen Selbstverwaltung abzuwenden.
Ihre Sorge unterlegen die Bürgermeister mit einer alarmierenden Zahl, die sich aus einer aktuellen Umfrage des Städte- und Gemeindebundes unter seinen Mitgliedskommunen ergeben hat: Demnach erwarten Im kommenden Haushaltsjahr 40 Prozent der Städte und Gemeinden in NRW erhebliche Defizite und den Gang in die so genannte Haushaltssicherung – „weitere 20 Prozent können heute noch nicht absehen, ob sich dieser Schritt noch abwenden lässt.“
Für die finanzielle Grenzsituation machen die Verwaltungsspitzen gleich eine ganze Reihe von Überforderungen aus, die den Städten und Gemeinden derzeit erhebliche Probleme bereiten. Unter anderem seien eine hohe Inflationsrate und erhebliche Preissteigerungen in allen Bereichen, die Unterbringung und Versorgung Geflüchteter ohne erkennbare Aussicht auf Neuordnung der Zuwanderung und ein unzureichend finanzierter Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an den Grundschulen wesentliche Ursachen für die Misere. Die Verpflichtung, kommunale Wärmeplanungen zu erarbeiten, steigende Zinsbelastungen auf kommunale Kredite oder auch die ungeregelte Finanzierung des Deutschland-Tickets täten ein Übriges. Deshalb sei es für die Städte und Gemeinden unabdingbar, auf eine finanzielle Ausstattung zu bestehen, die den stetig wachsenden Aufgaben entspricht.
„Uns ist bewusst, dass das Land sich ebenfalls einer schwierigen Finanzlage gegenübersieht. Ebenso ist uns bewusst, dass auch der Bund in erheblichem Umfang zu der strukturellen Krise der Kommunalhaushalte beigetragen hat. Deshalb tragen wir unseren dringenden Appell über den Deutschen Städte- und Gemeindebund auch in Berlin mit Nachdruck vor“, heißt es weiter in dem Appell.
Werde nicht konsequent gegengesteuert, werden die Misere unzumutbare Folgen für alle Bürgerinnen und Bürger haben – zum Beispiel weitere, nahezu flächendeckende Erhöhungen der Grundsteuer B. Notmaßnahmen wie diese seien den Menschen „schlichtweg weder vermittelbar noch zumutbar“. Eine solche Entwicklung könnte obendrein den Nährboden für den Verlust des Vertrauens ins demokratische Staatswesen bereiten. „Auch die Bereitschaft zu kommunalpolitischem Engagement wird darunter leiden, wenn im Stadt- und Gemeinderat nicht mehr gestaltet, sondern nur über Zumutungen entschieden werden kann“, schreiben die Bürgermeister weiter.
Deshalb seien nun dringend konkrete Entscheidungen notwendig: Kurzfristig müssten „alle fiskalischen und haushaltsrechtlichen Ressourcen ausgeschöpft werden, „um den Kommunen wieder Handlungsspielräume zu verschaffen, welche die Bezeichnung ‚kommunale Selbstverwaltung‘ auch verdienen.“ Bürokratiehemmnisse müssten abgebaut und klare Regeln für den Ausbau der Ganztagsbetreuung aufgestellt werden, damit der Betrieb sichergestellt werden kann. Auch bei den notwendigen Maßnahmen zur Klimaanpassung oder beim Schaffen von Wohnraum bräuchten die Kommunen dringend Unterstützung bzw. Planungserleichterungen.
Meerbuschs Bürgermeister Christian Bommers unterstützt die Forderungen voll und ganz: „Die Kommunen stehen stets am Ende der Handlungskette und müssen die Probleme von außen final ausbaden. Jetzt ist dringend ein Umsteuern nötig.“ Dieses sieht auch Erik Lierenfeld so: „Es ist höchste Zeit, dass Bund und Land endlich aufwachen und gemeinsam mit den Kommunen ernsthaft an einer langfristigen Lösung arbeiten. Andernfalls fehlt mir die Vorstellung, wie wir den Status quo erhalten können.“